Zur ästhetischen Dimension von Glauben und Lernen (PThe 78), Stuttgart 2006, 421 S., € 35,--
In seiner Dissertation stellt Altmeyer im ersten Hauptteil Ansätze einer ästhetischen Wende in der Praktischen Theologie und Religionspädagogik dar anhand der Entwürfe von Albrecht Grözinger (Praktische Theologie als Kunst der Wahrnehmung), der Pastoralästhetik von Walter Fürst und der ästhetischen Signatur religiöser Bildungsprozesse nach Joachim Kunstmann. Altmeyer sieht weniger die Notwendigkeit einer Wende als vielmehr die Möglichkeit, dass dieser ästhetische Zugang eine Perspektivenerweiterung für die Praktische Theologie bedeutet, denn er bemerkt in diesen Entwürfen ein wissenschaftstheoretisches, kriteriologisches, theologisches und teleologisches Defizit gegenüber einem Handlungskonzept. Denn für Altmeyer gilt, dass Wahrnehmen und Handeln korrelieren, wobei Wahrnehmung eine praktisch-theologische Methode des Wirklichkeitszugangs ist. Insofern ist die Wahrnehmungsfähigkeit eine elementare religiöse Kompetenz.
Im zweiten Hauptteil formuliert Altmeyer dann eine praktisch-theologische Ästhetik des Ausdrucks. Er greift dabei auf Rudolf Bohren, Karl Rahner und Hans Urs von Balthasar zurück. Altmeyer geht es neben der Wahrnehmung auch um den Ausdruck des Glaubens, wobei sich die Frage stellt, was man nun wohl ausdrückt: „Ist Religion der empfangende Besitz von Mysterien (...), oder ist sie die suchende Erfahrung von Mysterien (...)?" (313) Denn ein Ausdruck ist dann recht erfasst, wenn Ausdruck, Ausgedrücktes und Ausdrückender in einem Akt zusammen gesehen und erfasst werden, so dass von Ausdrucksakt, Ausdrucksform und Ausdruckswirkung gesprochen werden kann. So kommt es zum Ausdruck-Sein, Ausdrücken und Ausdruck-Haben. „Christlicher Ausdruck meint: die Menschenfreundlichkeit Gottes ist am Menschen wahrnehmbar und wird in der Kraft des heiligen Pneuma durch Menschen wahrnehmbar gemacht." (318, im Original kursiv.)
Anschließend konfrontiert Altmeyer seine Ausführungen mit der Ästhetik Adornos und hält fest, dass Ästhetik nicht das Gegenteil von formaler Stringenz, nicht Ausdruck von einer Psychologie des Subjekts, nicht Ausdruck von Darstellung, nicht Ornament der Sache und Verklärung ist. „Christliche Ausdrucksformen, selbst wenn sie nicht als Kunstwerke im Sinne Adornos bezeichnet werden können, partizipieren, indem sie einen spezifischen Wahrheitsanspruch im ästhetischen Medium erheben, an der Schwebegestalt der Ausdrucksform in ästhetischer Perspektive. Als Lebensversuche aus dem Glauben an den Gott Israels und Jesu Christi sind sie ästhetische Gestalt geistgewirkten und geistbegabten Erkennens und Handelns aus der Korrelation von Offenbarung und Erfahrung, göttlicher und menschlicher Praxis: Sie sind Versichtbarung des göttlichen Geistes unter Bedingung je größerer Unähnlichkeit, anfanghaftes Zum-Sprechen-Bringen des unsagbar Anderen." (344, im Original kursiv.)
(Jörg Neijenhuis)