Ästhetik des Erhabenen und negative Theologie: Pseudo-Dionysius Areopagita, Immanuel Kant und Jean-François Lyotard (Epistemata. Würzburger wissenschaftliche Schriften, Reihe Philosophie, Bd. 420), Würzburg 2007, 382 S., € 49,80
Das Erhabene erhält auch in der modernen Philosophie eine große Bedeutung, denn es wird im 17. Jahrhundert zu einer neuzeitlichen Kategorie. Das liegt an dem aufkommenden Interesse an Ästhetik. War das Erhabene in der Antike eine Kategorie der Rhetorik, so wird es nun eine Kategorie der Ästhetik. Pöpperl sieht das Erhabene in enger Verbindung mit der negativen Theologie, wie er an Pseudo-Dionysius Areopagita herausarbeitet. Es geht dabei um die Darstellung des Undarstellbaren - Lyotard greift für diese Darstellung zur Kategorie des Erhabenen und leitet eine Renaissance dieser Kategorie ein. Es ist das Konzept des Widerstreits, le Différend, oder bei Jaques Derrida der Entwurf der différance. Diese modern-postmodernen Konzepte haben auch theologisches Interesse hervorgerufen, versucht doch die Theologie wie die Kunst, mit bedingten Zeichen das Unbedingte zum Ausdruck zu bringen.
Pseudo-Dionysius Areopagita hat in seiner mystischen Theologie das Erhabene mit dem undarstellbaren Absoluten verbunden. Pöpperl liest Kant nun so, dass auch er vom Erhabenen spricht. Das zeigt sich an seiner Argumentationsstruktur: Da die theoretische Vernunft auf den Bereich der Erfahrung begrenzt bleibt und somit das Unbedingte nur negativ thematisieren kann, kann die praktische Vernunft positiv von der Freiheit als transzendentaler Bedingung der Sittlichkeit ausgehen. Zwischen beiden bleibt ein Widerstreit bestehen. Die Vermittlung beider „wird im Geschmacksurteil über das Schöne und im Urteil über das Erhabene geleistet." (353) „Das Undarstellbare wird zur Aufgabe eines ästhetischen Urteils." (356) Lyotard hingegen belässt die Heterogenität zwischen theoretischer und praktischer Vernunft bestehen und spricht von Diskursarten, die von einer absoluten Differenz getrennt werden. „Lyotard deutet Freiheit als Negativität und räumt dem Anderen den Vorrang vor der Subjektivität ein. Die Brüchigkeit von Freiheit und Subjektivität äußert sich sinnlich im Erhabenen." (357) Das Erhabene ist für Lyotard das Gefühl für das Absolute. Pöpperl hält fest: „Mit dem Erhabenen geht Lyotard hinter Kant zurück. Denn das Erhabene wird von einem Undarstellbaren hervorgerufen, man weiß nicht, was es ist, es beglaubigt aber, dass etwas ist, eine Präsenz. Das Undarstellbare existiert, man kennt aber nicht sein Wesen. In diesem Sinn ist Lyotard ein ‚prämoderner Theologe', sein Differenzdenken macht ihn aber zugleich zum postmodernen Denker des Absoluten." (358) So wird das Erhabene verstanden als eine Grenze oder als eine Schwelle zwischen dem Darstellbaren und dem Undarstellbaren.
(Jörg Neijenhuis)