Publikation zur gleichnamigen Ausstellung vom 24.09.2009 - 03.01.2010 in der Schirn Kunsthalle Frankfurt
Hrsg. von Esther Schlicht und Max Hollein mit einem Vorwort von Max Hollein und Texten unter anderem von Veng Bin, Christof Büttner, Marina-Köppel-Yang und einem Gespräch zwischen Esther Schlicht und Reiner Kallhardt
Schirn Kunsthalle Frankfurt/Hirmer Verlag, München, 2009, ISBN 978-3-7774-2231-2, 200 S., ca. 150 s/w- und Farbabbildungen, Klappenbroschur, Format 28 x 21 cm, € 27,80 (Museumsausgabe)/37,50 (Buchhandelsausgabe)
Eineinhalb Jahre nach der erstmals im Westen gezeigten Reisefassung der chinesischen Skulpturengruppe ‚Hof für die Pachteinnahme' hat die gemeinsam von den Staatlichen Museen zu Berlin, der Staatlichen Kunstsammlung Dresden und der Bayerischen Staatsgemäldesammlung München verantwortete Ausstellung ‚Die Kunst der Aufklärung' im wieder eröffneten Nationalmuseum von China in Peking ihren Auftritt. Den rund 600 höchstrangigen Leihgaben aus Deutschland und Werken unter anderem von Caspar David Friedrich, Johann Heinrich Füssli und Francisco de Goya standen in Frankfurt rund 100 aus verkupfertem Fiberglas als Reisefassung angefertigte Kopien der insgesamt 114 lebensgroßen Trockenlehmskulpturen gegenüber, die in China Kunstgeschichte geschrieben haben. Die 1965 von einem anonym auftretenden Kollektiv aus Lehrern und Absolventen der Bildhauerklasse der Kunstakademie Sichuan und lokalen Volkskünstlern auf dem ehemaligen Anwesen des Großgrundbesitzers Oiu Wencai in Anren geschaffene ortsspezifische Installation sollte schon 1972 auf der documenta 5 gezeigt werden; das Vorhaben ließ sich nicht realisieren. 1999 wurde auf der Biennale in Venedig der von dem in den USA lebenden chinesischen Künstler Cai Guo-Qiang geschaffenen Neufassung des „Hofs" der Goldenen Löwe zugesprochen. Als es dem Schirn Frankfurt gelang, die Reisefassung des „Hofs" nach Deutschland zu holen, war die Medienresonanz überschwänglich. Genau umgekehrt verhält es sich mit der in Peking gezeigten „Kunst der Aufklärung". Wenn man den Berichten Glauben schenken darf, wird sie in China weitgehend verschwiegen. Kurz nach ihrer Eröffnung ist der im Westen allpräsente Documenta-Teilnehmer Ai Wei Wei verhaftet worden. Man hat deshalb überlegt, ob man die ‚Kunst der Aufklärung' abbrechen soll. Nach einem Bericht des epd lehnte die Vorsitzende des Bundestags-Kulturausschusses Monika Grütters einen Abbruch ab. Auch ohne Abbruch würden sich andere Länder überlegen, ob sie vergleichbare Projekte mit dem Regime in Peking vereinbaren. Man fragt sich , ob die westlichen Vorstellungen von Kunst in der Tradition der Aufklärung und von Kunst im Dienste politischer Propaganda zusammenpassen und antwortet mit nein... Die Erfolgsgeschichte des ‚Hofs für die Pachteinnahme' lässt sich ohne Mao Zedongs Reden über die Ziele, Rollen und Aufgaben der Künste und Künstler im Sozialismus im Mai 1942 in Yan'an in der Provinz Shaanxi nicht verstehen. Maos später gedruckte Redebeiträge enthalten seine zentralen und für drei Jahrzehnte verbindlich gewordenen kunsttheoretischen Auffassungen.„Kernpunkte dieser Reden sind: Unterwerfung der Künste unter die Politik; die Künste sollten den Massen dienen; Kunst muss die ‚wahren Verhältnisse', die ‚neue Welt' und ‚wahre Helden' abbilden. Um diese Ansprüche erfüllen zu können, müssen die Künstler mit den Arbeitern, Bauern und Soldaten leben und von ihnen lernen" (Christof Büttner). Zu Beginn der chinesischen Kulturrevolution im Februar 1966 ist der ‚Hof für die Pachteinnahme' zu einem verbindlichen Musterkunstwerk erklärt worden. Im Westen wurde das Werk im Zuge der 1968-er Bewegung als herausragendes Beispiel für revolutionäre Kunst rezipiert. Der „Kunst der Aufklärung" und Ai Wei Wei nützt diese Rezeption nichts.
(ham)