Begleitpublikation zu den gleichnamigen Ausstellungen vom 07.04. - 10.07.2011 im Museum Brandhorst München/Bayerische Staatsgemäldesammlungen und vom 17.07. - 30.10.2011 im Museum für Gegenwartskunst Siegen mit einem Essay von Hubertus v. Amelunxen
Schirmer/Mosel Verlag, München, 2011, ISBN 978-3-8296-0537-3, 182 S., 107 Farbtafeln, Hardcover gebunden mit Schutzumschlag, Format 33 x 25 cm, € 58,-- (D)/59,70 (A)/SFR 81,90
Der 1928 in Lexington, Virginia geborene Cy Twombly ist durch seine in die Fläche geschriebenen Notate, Linien, Zeichen und Formen, kurz durch seine skripturale Malereien und seine malerischen Zeichnungen bekannt und weltberühmt geworden. Dass er seit seinen Studientagen fotografiert hat, ist bis in die frühen 1990er Jahre weitgehend unbekannt geblieben. Die in dem vorliegenden Band vorgelegte Auswahl verbindet frühe Stillleben und Architekturfotografie mit späten Stillleben, Blumenstudien, Atelieransichten und Landschaftsaufnahmen. Der Band setzt mit einem Selbstporträt im Stil des 19. Jahrhunderts ein. „Der sehr junge Cy Twombly sitzt im Freien vor der Staffelei, die Palette am linken Daumen, in der rechten Hand den Pinsel im Ansatz und die Stirn im fallenden Schatten der Hutkrempe, vollendet er das Klischee eines Landschaftsmalers aus der Zeit von Barbizon. Im Halbprofil blickt der sich selbst Porträtierende an der Kamera vorbei, seine landschaftliche Umgebung ist durch Lichtfülle und Unschärfe ausgeblendet. Das Bild trägt den Titel ‚C. Twombly with painting box + umbrella of Charles Woodburry, Ogunquit, MN, 1944', ein Titel der die Parodie unterstreicht... Twombly war damals sechzehn Jahre alt..." (Hubertus v. Amelunxen). In seinem frühen Stillleben ‚Table, Chair and Cloth', Tetuan, 1951 fotografiert er „nicht den Tisch, sondern das Tischtuch, das Gewand, nicht den Stuhl, sondern die Durchsicht und Fläche, die er schafft. Bei beiden geht es um die Textur, die Fraktur der Oberfläche, um die Tiefe als eine Dimension der Gleichzeitigkeit des Raums, immer um das Unsichtbare. Nicht die Fragmentierung des Tisches ist bedeutsam oder das Anschneiden des Stuhls, aber die Oberfläche, der Boden, die Wand und das in Falten geschlagene Weiß des Tischtuchs, das sich in je differenten Modulationen des Lichts von der Umgebung abhebt und diese wieder neu definiert, als sei die Zeit erst jetzt, soeben, gerade mit Licht beschienen und zum Bild angelaufen" (Hubertus v. Amelunxen). Die Fotografien sind wie die Malereien und Zeichnungen zu Einschreibungen des Lichts auf Oberflächen geworden und lassen nach dem Unsichtbaren im Sichtbaren suchen. „Fotografie ist Mnemosyne, vorweggenommene Erinnerung, Bewahrung und Auslöschung zugleich, Ende eines Werdens und währendes Ende, Absicht und Absehen. Das Licht berührt den Träger nicht anders als die Haut unseres Körpers und des Auges. In der Fotografie, der Skiagraphia von Cy Twombly ... ist der Raum schon im Schatten des Künftigen, ausgelöst vom gestischen Druck, der Hand, des Fingers ohne Auge, des Tastens ohne Eindruck, das den Dingen die schwimmend schwebende Zeitlichkeit gibt... Twomblys Fotografien führen ... auf ewig ihre Dauer in diesen Augenblick der Unmittelbarkeit zurück. Seine Fotografien bedeuten die im Licht oszillierende, im Atem zitternde Vulnerabilität, Verdichtungen der Sonne, ‚Argumente des Lichts'" (Hubertus v. Amelunxen).
(ham)