Beispiele afrikanischer und christlich-afrikanischer Kunst. Lembeck Frankfurt/M. 2009. 192 S. 65 Abb. kt. 22,- €. ISBN 978-3-87476-592-3
Löwner, Gudrun: Christliche Themen in der indischen Kunst. Von der Mogulzeit bis heute. Lembeck Frankfrut/M. 2009. 224 S. 65 Abb. kt. 22,- ISBN 978-3-87476-593-0
Die beiden Veröffentlichungen setzen eine Reihe fort, die mit Theo Sundermeier des Missionswissenschaftlers, „Christliche Kunst - weltweit" (2007) eröffnet wurde (s. Bulletin Nr. 28/29). Der Untertitel gab der Reihe (Hg. Sundermeier und Ott) den Namen, so daß sie deren Bände 2 und 3 darstellen. Zunächst Hinweise auf Früheres: Schon seit Beginn der ökumenischen Bewegung sind immer wieder Kunstbände erschienen, die die christlich bezogene Kunst anderer Kontinente uns nahebringen wollten. So etwa des Mitarbeiters in der Genfer Zentrale des Weltkirchenrats Hans Ruedi Weber „Kruzifixus", bei Vandenhoek und Ruprecht 1980 als deutsche Ausgabe von „On a Friday Noon" (Genf 1979), das damals vielleicht in Gemeinden am meisten verbreitete Beispiel mit dem Akzent auf der Interpretation dessen was das „Kreuz" dem Glauben besagt - damals hoffnungsvoll noch im Blick auf einen intensiven Austausch zu Glaubensfragen in der Weltökumene, der allseits unsere eigenen Verfestigungen im Denken zu lockern vermöchte. Ging dies voran?
Ich nenne noch die deutsche Ausgabe der Studie von Ron O' Grady: Christ for all people. Celebrating a World of Christian Art (Asian Art Association 2001). in der man den Titel übersetzte als „Christus für alle Völker" (hg. gemeinsam von der Ev. Hauptbibelgesellschaft und der Cansteinschen Bibelanstalt mit missio, Aachen, 2003). Sie führt den Untertitel „Eine künstlerische Christologie" - nicht zu Unrecht, konfrontiert sie doch klassisch-europäische Darstellungen von Kathedralsrosetten über unsere Renaissancemeister und altkirchliche wie moderne westliche Gestaltungen mit solchen aus dem heutigen Asien (aus Japan sind uns die Namen Watanabe und Tanaka seit längerem vertraut) und anderen Kulturbereichen. Mit guten Farbabbildungen. Die Gliederung unterstreicht das Erkenntnisinteresse für die möglichen Wandlungen der Christologie, indem solche Gegenüberstellung nicht nur zu den vertrauten Themen erfolgt, sondern auch neue Motive aufgewiesen werden: eine indonesische Arbeit zeigt etwa ungeschönt „Christus und die Fischer", eine italienische „Christus als Handwerker". Die Frage nach dem Verhältnis Jesu zu Kindern und zu Frauen ist mehrfach Thema, wobei die Implikationen der jeweiligen sozialen (Not-)Lage schnell erkennbar sind. Und Themen wie Verfolgung, Ostern, Versöhnung; Welterlösung nehmen die Bildsprache verschiedenster Kulturen an. So ist es beachtenswert, wenn die Thematik der „Inkulturation" (nicht ohne gleichzeitige „Exkulturation" aus der europäischen Engführung) in dieser neuen Reihe sorgfältig verfolgt wird.
Martin Ott ist zugleich Theologe wie Entwicklungspolitiker und war in Malawi als Dozent tätig. Er widmet sich speziell dem Bild der Frau in Afrika. So zeigt das Umschlagbild von Jibu Sani, Malawi, die Skulptur: „Maria in Erwartung" (1991) - bei uns ist die Darstellung von Mariens Schwangerschaft bei aller Verehrung für die Jungfrau - Mutter kaum je ein Thema gewesen. Der Autor fügt die Bildbeispiele seiner ethnisch-religionswissenschaftlichen Untersuchung bei. „Erst vor und gegen den Hintergrund von Geschichte und Gegenwart künstlerischen Schaffens in Afrika erscheint es gerechtfertigt, Urteile über die Qualität und Bedeutung der christlichen Gegenwartskunst abzugeben" (S. 25). So werden zunächst Beispiele für die Frau in der traditionellen afrikanischen Kunst gegeben („Kunstethnologie": eindrucksvolle Mutterstatuen und -statuetten, mit überbordenden Fruchtbarkeitssymbolen, ebenfalls Mutter- und Kind(er) - Motive); dann aus der modernen (stilistisch nicht selten in harten kubistischen Formen dargestellt; auch die Rolle des Mannes als des sexuell Unterlegenen kann zum Ausdruck kommen); sodann aus der aktuellen Genderdebatte. „Trotz der Versuche, die (katholische) Kirche auch in den afrikanischen Metropolen zu beheimaten, hinken Vision und pastorale Praxis dem Zeitgeist und den Urbanisierungsraten hinterher" (S. 124): der Mythos von der „guten" Frau auf dem Lande führt zum weiterhin konservativen Frauenbild.
Erst nun folgen christliche Motive. Diese Vorgehensweise überzeugt, sofern es sich um eine interkulturell relevante Bezeugung des Glaubens, und nicht die Fortsetzung missionarischer Importware von einst handeln soll - denn von dieser hebt der Autor die christlich-afrikanische Kunst ausdrücklich ab (S. 128). Merkmal sind die Spuren „afrikanischer Weltanschauung und Religion", in welcher die „Kontaktaufnahme zu den übersinnlichen Mächten" gesucht wird. Zur ästhetischen Qualität, für die es ja keine Massstäbe gibt, sagt der Autor, daß sie sich „aus der gelingenden Korrelation der Faktoren Künstler, Kunstwerk und Rezipient ergibt, wobei „im Neuen der sinnliche Ausdruck über das Bekannte hinausgeht" (S. 130). Selbstverständlich ist Maria z. B. eine Massai-Frau oder, schon bei einer Bronze des 17. Jh. aus dem alten Kongoreich eine Königin mit Kind und Stab. Oder sie trägt als afrikanische Mutter einen Korb auf dem Haupte. Auch die altäthiopische hieratische Kunst wird modernisierend variiert.
Zum Gottesbild hebt Gotthold Hasenhüttl: „Schwarz bin ich und schön" (1991) zur afrikanischen Religiosität die Bedeutung des Hochgotts neben jeweiligen Gottheiten hervor. Ott meint, daß die „matrilinearen Gesellschaften in Afrika eine kontextuelle und sich inkulturierende Kirche ... auf ein weibliches Gottesbild vorbereiten", in dem die „Ursymbole der liebenden Mutter und des Kreuzes in eines" fallen. (S. 206).
Gudrun Löwner ist Pfarrerin in Indien (Promotion über Sri Lanka). Sie hat sich mit christlicher Kunst in Afrika und Asien befasst, „da in ihr die gesamte Debatte um Befreiung und Inkulturation in einer ganzheitlichen Dimension deutlich wird, die teilweise prophetisch die geschriebene Theologie vorwegnimmt und begleitet" (S. 7).
Aus der alten Thomaskirche sind erst seit dem 7. Jh. Kunstwerke erhalten (so das „Pahlawi-Kreuz" als Lebensbaum). Schon in der frühen Goa-Missionszeit (ab 1510) entstehen Verbindungen zwischen europäischem und indischem Stil. Durch die Einladung des Moguls Akbar, der eine interreligiöse Toleranz pflegte und Ansätze zu einer Einheitsreligion vertrat, von Jesuiten an seinem Hof im Jahre 1580 entstand eine Begegnung mit islamischer Kunsttradition in erstaunlichen Miniaturen christlicher Thematik (z. B ein Pfingstbild). Auch gibt es ein Bild von Mogul Jahangir, der eine Madonna-Ikone betrachtet (um 1620). Später „(„Bengalische Renaissance", S.53ff.) wurden Briten die Mäzene, es entstand ein Kolonialstil (East India) „Company Painting", aus dem sich etwa Jamini Roy in Auseinandersetzung mit Gaugion herausarbeitete. Die Studie von Löwner stellt dann zunächst fünf nicht christliche (S. 71ff.) und dann zwölf christliche Künstler (S. 119-192) in kurzen Einzelstudien vor. Charakteristisch die Rolle der Dalits, der „Unberührbaren", „die die große Mehrheit der Kirche ausmachen" (S. 195) - sie lehnen allzu ätherische oder esoterische Darstellungen ab. Sie haben zu ihren handgreiflichen Überlebensproblemen in der Bibel lebensnahe Bilder gefunden. Abschließend wird auf zwei der „vielfältigen Volksmalstilen" hingewiesen: auf die Tücher im „Kalamkaristil" (wie hinduistische Göttergeschichten gestaltet) und die „Warlikunst" (auf braunem Papiergrund). - Zur Theologie in Indien allgemein ist zu vergleichen M. M. Thomas: Christus im neuen Indien (1989) und J. P. Schouten: Jesus als Guru. The image of Christ among Hindus and Christians in India (2008).
(Manfred Richter)