Publikation zu den gleichnamigen Ausstellungen vom 13.05. – 03.10.2010 im ZKM / Museum für Neue Kunst, Karlsruhe und vom 23.10.2010 – 06.03.2011 im Museum der Moderne Salzburg
Hrsg. von Toni Stoos und Peter Weibel mit Texten von Andreas F. Beitin, Régis Durand, Ursula Frohne, Christian Katti, Thomas Macho, Peter Sloterdijk und den Herausgebern
ZKM, Karlsruhe / Hatje Cantz Verlag, Ostfildern, 2010, ISBN 978-3-7757-2594-1, 252 S., zahlreiche s/w- und Farbabbildungen, Hardcover gebunden, Format 21 x 29 cm, € 39,80 (Museumsausgabe)
Jürgen Klauke ist im Süddeutschen nach Einzelausstellungen unter anderem in der Stuttgarter Galerie Ursula Schurr und vor allem durch die Überblicksausstellung „Eine Ewigkeit ein Lächeln. Zeichnungen, Fotoarbeiten, Performances 1970/1986“ im Badischen Kunstverein Karlsruhe und dort durch seine männliche und weibliche sekundäre Geschlechtsmerkmale integrierende Figur des ‚Transformers’ bekannt geworden. Für Peter Weibel und Toni Stooss gehört der Mitinitiator der Performance Art zwischenzeitlich zu den bedeutendsten Medienkünstlern. Im Unterschied zu seinen Live-Performances, in denen er die direkte Konfrontation sucht und die eigene Belastbarkeit auslotet, inszeniert er seine Aktionen nicht für das Publikum, sondern direkt für die Kamera und führt dort die Mittel der körperlichen Darstellung und der Eigenwelt der fotografischen Mittel zusammen. So entstehen „autonome Fotoaktionen, fotografische und videografische Kunstwerke, die heute sein eigentliches ‚Markenzeichen’ ausmachen. Die Selbstdarstellung und die Weltdarstellung objektivierten sich im Medium der inszenierten Fotografie“ (Peter Weibel, Toni Stooss). Im Mittelpunkt steht in aller Regel der eigene Körper. In neuen Arbeiten wie den Fotoprints ‚Elektrophysiologischer Exzess’, 2004/2006 und ‚Wackelkontakt’, 2004/2006 wird der eigene Körper durch weiße Steckdosen auf schwarzem Grund ersetzt, die durch Verlängerungskabel verbunden sind oder auch nicht. In ‚Sich selbst optimierendes System’, 2004/2006 bringt der Protagonist die Kabel zum Schwingen. Der Film zeichnet die Bewegung auf. Der Künstler verliert sich durch die Eigenbewegung im Bild. Zu sehen sind nur noch schwarze Schuhe. In ‚Ästhetische Paranoia’, 2004/2006, präsentiert sich der Künstler erneut als männlich-weibliche Figur im schwarzen Anzug und überlangem schwarzem Haar auf einem weißen Doppelbett. Im Kampf mit dem Haar scheint er zu unterliegen. Das Haar verselbständigt sich und wächst sich zu einer Stele oder einem Penis aus. Der Künstler bleibt paranoid auf seinem Bett zurück. Für seine neueste, ‚Schlachtfelder’ genannte Serie von 2009/2010, 12 Tableaus mit einer Gesamtlänge von 16,32 m hat Klauke sein Atelier verlassen und nächteweise in Kölner Schlachthöfen fotografiert. In den Tableaus wachsen Mägen und Blut mit dem aus anderen Serien bekannten Schaukelstuhl aus seinem Atelier und Bildern von dem schwangeren Klauke zusammen: An der Stelle der männlichen und weiblichen sekundären Geschlechtsmerkmale in der frühen Transformer-Serie ist der Bauch einer/eines Schwangeren getreten. Eros und Tanatos, Leben und Tod, Schwarz und Weiß und Rot begegnen sich. Die Serie bekommt Farbe.
Im Gespräch mit Heinz-Norbert Jocks bezeichnet sich Klauke als intermediären Künstler oder Aktionisten, der sich der Fotografie bedient und multiple und fiktive Identitäten erfindet. Seine Kunst zielt auf eine innere Erfahrung, „die durch eigene Entwürfe und Konzepte, durch das Fragen provozierende Leben sowie durch das eigene Alles – wieder in-Frage-Stellen angereichert werden... Die inszenierten Fotos, die nur als Bild argumentieren, sind Bild gewordene Vorstellungskraft und Konzept. Eben kein Abbild oder Dokument der nur sichtbaren Welt, sondern außerdem das Davor, das Dazwischen und das Dahinter. Alles in allem Gedankenbilder des Unsichtbaren“ (Jürgen Klauke)
(ham)