Publikation zu den Ausstellungen Martin Bruno Schmid, Bohrstücke, Viennafair 09, Wien vom 07. – 10.05.2009 und Martin Bruno Schmid, Abriss (Ein Abriss) vom 27.10. – 10.11.2009 in der Städtischen Galerie Ostfildern
Stuttgart, 2009, 80 Seiten, zahlreiche Farbabbildungen, Hardcover gebunden, Format 28 x 22,4 cm, € 18,--
Bildverletzungen durch Ikonoklasten sind spätestens seit dem byzantinischen Bilderstreit bekannt. Der 1899 geborene Argentinier Lucio Fontana begann 1948 seine Bilder zu perforieren und hat Bildverletzungen zu seinem fast ausschließlichen gestalterischen Prinzip erhoben. Seit 1958 fügte er den Leinwänden scharfe, saubere Schnitte zu. Wenn Martin Bruno Schmid Wandflächen und Rigipsplatten durch Bohrungen bearbeitet und gestaltet, mag er zunächst als einer erscheinen, der in der Tradition der Ikonoklasten und von Fontana steht. Wenn man aber seiner Künstlerlegende folgt, geht der erste Impuls von einem anderen Kontext aus: Nach jeder Ausstellung bleiben in den Ausstellungsräumen Löcher in den Wänden zurück, die mit Gips, Moltofill oder einer anderen Spachtelmasse verfüllt und dann wieder überstrichen werden müssen. „Alles soll wie neu sein für die nächste Ausstellung. Allerdings gelingt das selten gut, weil die Wand benutzt, von der Kunst besetzt wurde. Diese Schönheitsreparaturen, diese Vortäuschungsstrategien beschäftigten Bruno Martin Schmid – und brachten ihn zu den Bohrstücken, die sich dann verselbständigten: Statt in die Wand direkt eingearbeitet zu werden, wanderten sie wieder von der Wand weg auf eine Art Bildträger, der dann auf die Wand als zweite Ebene aufgebracht wird“ (Petra Mostbacher-Dix). Zu den Bohrstücken treten bei Martin Bruno Schmid dann die Bohrzeichnungen, in denen er Papiere mit spitzen Bleistiften bis an den Rand der Auflösung bearbeitet und sie dann in Bildkästen zeigt: Man wagt kaum, vor diese Bildkästen zu treten und hat das Gefühl, dass sich die perforierten Papierfragmente vollends in Staub auflösen könnten. Mir scheint, dass Bruno Martin Schmid mit seinen Bohrzeichnungen eine der späten Modernen angemessene und ästhetisch höchst eindrückliche Form des Memento Mori gefunden hat.
(ham)