Jonathan Meese
Saalschlacht Paracelsus
Faksimile des gleichnamigen Künstlerbuchs von Jonathan Meese aus dem Jahr 1999. Privatdruck zum Jahreswechsel 2004 – 2005.
Contemporary Fine Arts Berlin, 2005, ISBN 3-931355-21-7, 94 S., zahlreiche s/w- und Farbabbildungen, Texte und Collagen, Leinen gebunden im Leinenschmuckschuber, Format 31,2 x 21,5 cm, € 100,--
Jonathan Meese
Ufo go home – Fasching der Kunst
Publikation zur gleichnamigen Ausstellung vom 09.04. – 08.06.2008 in der Fundació „la Caixa“, Barcelona
Fundació „la Caixa“, Barcelona 2008, ISBN 978-84-7664-989-3, 36 S., zahlreiche Farbabbildungen, Barcelona-Manifest, Broschur, Format 21 x 21 cm
Jonathan Meese
Totaler Metabolismus
Künstlerbuch
Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, 2009, ISBN 978-3-86560-630-3, 418 S., Hardcover gebunden, zahlreiche Farbabbildungen und Manifeste, Format 30,3 x 21,6 cm, € 48,--
Jonathan Meese
Dash Snow
27. Juli 1981 – 13. Juli 2009
Jonathan Meese/Contemporary Fine Arts Berlin, 2009, ISBN 978-393155-54-8, 44 S., zahlreiche Farbabbildungen, Broschur geheftet, Format 29,7 x 21 cm, € 100,--
Jonathan Meese und Herbert Volkmann
Fleisch ist härter als Stahl
Meerpferd Fötusmann und Beausatan Käse an der Ozbar (Die geilblökenden Dinger)
Publikation zur gleichnamigen Ausstellung vom 17.07. – 20.09.2009 im Mönchehaus Museum Goslar
Hrsg. vom Mönchehaus Museum mit Texten von Herbert Volkmann, Harald Falckenberg, Bettina Ruhrberg, HG Schröder und Michael Stöber
Mönchehaus Museum Goslar, 2009, ISBN 978-3-9813165-0-6, 128 S., zahlreiche Farbabbildungen, Klappenbroschur, Format 29 x 20,2 cm, € 25,-- (Museumsausgabe)
Unter den angezeigten Publikationen ragt Jonathan Meeses Künstlerbuch ‚Totaler Metabolismus’ nicht nur durch die Zahl der Seiten, sondern auch und vor allem durch die Konsequenz heraus, mit der das Prinzip Collage auf eine anregend neue und so bisher noch nicht gesehene Ebene gehoben wird. Die Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall hat jüngst in ihrer groß angelegten Max-Ernst-Ausstellung ‚Alptraum und Befreiung’ brillant und zwingend vorgeführt, welche betörend-verstörenden Welten zwischen Tag und Traum der Altmeister des Prinzips mit seinen surrealistischen Collagen erschließen konnte. Meese gräbt mit seinen Collagen drei, vier Ebenen tiefer und siedelt sie und sein ganzes Schaffen nicht in der Ebene der Bewegungen des Geistes, sondern auf der Ebene der Metabolismen des Lebens selber an: „Metabolismus ist Erzkunst“ (Jonathan Meese). In seinen Gesetzen des Stoffwechsels notiert Meese, dass ein Mensch sein Leben wie dem Schlaf, der Verdauung, der Atmung und dem Traum als süßestem „Saalmetabolismus“ überlassen muss. „Niemals kann der mickrige Mensch sein Leben einer Meinung, einer Glaubensrichtung, einem Geschmack oder einer Willenserklärung widmen, igitt, dann herrscht obszönstes Leben nach dem Tod, widerliche Selbstsucht“ (Jonathan Meese). In der Konsequenz soll auch die Kultur untergehen: „Los, widerliche Kultur, geh endlich unter“ (Jonathan Meese). Es bleibt der eigene Stuhlbefund. Meese stellt ihn seinem Künstlerbuch auf dem Vorsatzblatt voran.
Man könnte jetzt an Joseph Beuys und sein Interesse an Transformation und Transsubstantation denken und an seine Suche nach einer alchimistischen religiösen Bewegung. Aber dem steht Meeses vielfach notierte Abgrenzung von der Religion entgegen: „Kunst ist totaler Stoffwechsel… Kunst ist keine Religion, aber jede Religion ist Kunst (Dr. No)“ (Jonathan Meese im Barcelona-Manifest vom 08.05.2008). Deshalb ist man eher versucht, an den Schwaben Georg Friedrich Wilhelm Hegel und den ihm zugeschriebenen Satz „Es wird alles aufgegessen und verdaut“ zu denken. Nach Hegels Phänomenologie des Geistes gewinnt die selbstlose Natur aber erst in der Frucht die Stufe, worin sie „sich selbst zubereitend und verdaut, sich dem selbstischen Leben darbietet; sie erreicht in der Nützlichkeit, gegessen und getrunken werden zu können, ihre höchste Vollkommenheit …“ Außerhalb dieses Kommunikations- und Kommunionszusammenhangs verfaulen und vertrocknen die Naturdinge. Erst die kultische Kommunikation, die Kommunion verschafft den Naturdingen eine „höhere Ehre“ (Georg Friedrich Wilhelm Hegel). Wenn man Hegel folgt, ist Meeses Metabolismus der Kunst also nie ohne den Menschen, weil nie ohne den Weltgeist zu denken. Meese gesteht diesen weiteren Kontext letztlich auch ein, wenn er seinen „Jonathan“ in selbstbewusster Entschiedenheit unter oder über seine Manifeste, Zeichnungen, Malereien und sonstigen Arbeiten setzt. „Metabolismus ist Erzkunst“ hieße dann, dass es ihm um geistige und nicht einfach nur um organische Umsetzungsprozesse geht. Der Mensch ist eben gegen Julien Offray de Lamettrie mehr als das, was er isst.
Meeses persönliches Totengedenkbuch für den mit 27 Jahren viel zu früh verstorbenen Dash Snow wäre dann ebenso Ausfluss dieser geistigen Metabolismen wie die zusammen mit Herbert Volkmann für Goslar erarbeitete Hommage an den toten Künstlerfreund. Für Bettina Ruhrberg verbindet die beiden Totalkünstler „eine gemeinsame künstlerische Haltung: Provozierend direkt machen sie existentielle Fragen wie Liebe und Tod, Hoffnung und Scheitern, genauso wie Krieg, Traum, Gewalt und Macht zum Thema ihrer Kunst“ (Bettina Ruhrberg). Meese und Volkmann arbeiten seit Ende der 1990er Jahre immer wieder einmal zusammen. Die zwischen 2004 und 2009 entstandenen gemeinsamen Gemälde Jonathan Meese/Herbert Volkmann ‚Ohne Titel (Mutter Meese Blutmutterkorn Haut AB)’ und ‚Ohne Titel (Froschmuttermaskenmeese Blutgräfin)’ werden erstmals vorgestellt. „Meese malt rasch, gestisch, expressiv und linear, Volkmann …. langsam, präzise, reflektiert und farbbewusst“. Bei der Hommage an Dash Snow tritt Volkmann „als Zeichner auf, zuständig für die Bewegung der Linie, während Meese die malerischen Akzente setzt“ (Michael Stöber). In der Gemeinschaftsarbeit ‚Dein Solarismaul – de Fleisch ist härter als Stahl de Meerpferd Fötusmann und Beausatan-Käse an der Ozbar (Die geilblökenden Dinger)’ von 2001 bis 2002 sitzen Meese und Volkmann wie Zwillinge im Mutterbauch und besprechen den Gang der Weltgeschichte. Gut, dass weder sie noch Hegel deren Ausgang kennen und der Weltgeist seiner eigenen Logik folgt.
(ham)