Vom Umgang mit Dingen
Reimer Verlag GmbH, Berlin, 2009, ISBN 978-3-496-02807-9, 253 Seiten mit m. 16 Farb- u. 80 s-w-Abb., gebunden, Format 24 x 17cm, € 29,--
Erstaunlich, welche Fülle an Themen zwischen zwei Buchdeckel gepresst werden kann. Der Umgang mit „Dingen“ beinhaltet ein schier unendliches Reservoir an wissenschaftlichen Fragestellungen und so finden sich in dem Sammelband „Die Tücke des Objekts“ unter anderem Artikel über die Freischwinger von Marcel Breuer, über Windkrafträder, Pflastersteine, künstlerische Objets trouvés, Kultgegenstände aus Papua Neuguinea und über die Totenmaske von Friedrich Schiller. Ob Naturwissenschaftler, Kunsthistoriker oder Techniker: Irgendetwas von Interesse findet jeder in diesem interdisziplinären Band, der aus einer Tagung im Februar 2007 der Isa Lohmann-Siems Stiftung im Warburg-Haus, Hamburg hervorgegangen ist. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf dem kreativen Umgang mit der Dingwelt in der Bildenden Kunst. Die Artikel über Maskenmotive im deutschen Stillleben, Pflastersteine zwischen „Ready made“-Kunstwerk und revolutionärem Wurfgeschoss oder Freischwinger als Antwort der Designer auf den beschleunigten Lebensstil der 1920er Jahre bilden den Kern des Bandes und kehren immer wieder zu den unruhigen Jahren zwischen den Kriegen zurück.
Der einleitende Beitrag von Christoph Asendorf „Verlust der Dinge? Stationen einer endlosen Diskussion“ hält die ungleichen Beiträge des Bandes zusammen und beschreibt kurz, wie der Umgang mit Dingen sich über die letzten Jahrhunderte veränderte. Er skizziert im Ergebnis ein Dreistufenmodell: die vorindustrielle Zeit mit einer eher geringen Zahl langlebiger Objekte, mit denen die Besitzer stark verbunden waren. Dann die Zeit nach 1900 mit Industrialisierung und beginnender Massenproduktion, die zum Zerfall des Dingwertes und einer Erfahrung des Verlustes und der „Verzicht auf Dauerndes“, wie Paul Valéry im Hinblick auf die Kunst schrieb, einherging. Und schließlich die 1950er Jahre, „eine Epoche des Übergangs, wo die Praxis eines lang andauernden vertrauten Umganges mit den immer gleichen Dingen der Lebenswelt, welche schon durch den Krieg erschüttert war, nun mit der Entfaltung der Konsumgesellschaft endgültig obsolet zu werden droht.“
(Michael Reuter)