Publikation zur gleichnamigen Ausstellung vom 04.09.2009 – 28.02.2010 in der Kunstbibliothek Staatliche Museen zu Berlin
Hrsg. von Christoph Keller und Michael Lailach und Texten von Michael Lailach, Christoph Keller und Anita Kühnel, einem Vorwort von Moritz Wullen und einem fragmentarischen Handbuch alternativer Kunst-Publikationen von Maja Wismer
SMB Kunstbibliothek Staatliche Museen zu Berlin / JRP/Ringier, Zürich, 2009, ISBN 978-3-03764-075-3 (Vertriebsausgabe), 344 S., zahlreiche s/w-, Duoton- und Farbabbildungen, Broschur mit Schutzumschlag, Format 21,2 x 15,3 cm, € 38,--
Der 1969 in Stuttgart geborene Verleger, Buchgestalter, Ausstellungsmacher und neuerdings auch Bauer und Brenner von exquisiten Edelschnäpsen Christoph Keller war 1998 noch als Student der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe zum Verleger geworden, als er eine Werkreihe des Bremer Künstlerduos Korpys/Löffler zu Innenansichten von konspirativen RAF-Wohnungen mit seinem Laserdrucker vervielfältige und daraus ein Buch machen wollte. Wenn man ein Buch herstellt „benötigt man eine ISBN-Nummer, und um eine ISBN-Nummer zu bekommen, muss man Verleger sein. So wurde der Verlag Revolver spontan und eigentlich ganz unabsichtlich gegründet und hat seither ein Eigenleben entwickelt …“ (Christoph Keller). Verlegt wurden im ersten Jahr Bücher mit Künstlern wie Daniel Roth, Franz Ackermann und Christian Jankowski: Bis zum Jahr 2005 waren es dann rund 500 Publikationen. Sämtliche Publikationen waren nach dem Arbeitsmodell des „independent publishing“ verpflichtet, das seine experimentelle Programmatik und eine originelle, arbeitsintensive graphische Gestaltung und eine „kalkulierte Leidenschaft“ (Christoph Keller) erlaubte. Anfang des Jahrs 2000 entstand dann die Idee, nach vergleichbaren Prinzipien entstandene Künstlerbücher, Ausstellungskataloge, Monographien, Magazine und Editionen mit den Publikationen des Revolver Verlags als Archiv für aktuelle Kunst zusammen zu fassen und unter dem Titel „Kiosk“ vorzustellen. Seit 2001 ist das Projekt Kiosk mit seinen rund 7000 Objekten in mehr als 26 Ausstellungen weltweit gezeigt worden. 2007 konnte die Sammlung in die Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin integriert werden. Für Moritz Wullen verschwimmen in den in „Kiosk“ versammelten Publikationen nicht nur die Grenzen zwischen Kunst, Schreiben über Kunst und Kunst, die das Wort selbst ergreift, sondern auch die Trennlinien zwischen Künstlern, Autoren und Verlegern, zwischen Künstlerbuch, Ausstellungskatalog, Monographie und Magazin. Wullen spricht deshalb von einer „transgenen“ Publikationsform. Christoph Keller argumentiert bodenständiger: Wenn jährlich allein von kommerziellen Verlagen rund 10000 Kunstbücher auf den Markt geworfen werden und dazu noch die Publikationen der independent publishers kommen, gibt es tendenziell keine Leser mehr. Für ihn werden Kunstbücher nicht mehr geschrieben, „um gelesen zu werden, sondern um die Arbeit von Künstlern zu sanktionieren, um Preise auf dem Kunstmarkt zu rechtfertigen, zu erhöhen oder zu stabilisieren, um die Stellung von Künstlern, Händlern und Sammlern zu etablieren“ (Christoph Keller). Bei den Edelschnäpsen, die er neuerdings in der Stählemühle im Hegau unter anderem aus Holunder, Vogelbeere, Sanddorn, Schlehe und alten Wildapfelsorten produziert, braucht er sich weder um den Verkauf noch um die Frage zu sorgen, ob sie auch getrunken werden. Sie sind in aller Regel schon vor der Produktion ausverkauft.
(ham)