Publikation zur gleichnamigen Ausstellung vom 12.05. – 12.10.2008 im ZKM/Museum für Neue Kunst Karlsruhe
Hrsg. von Gregor Jansen und Thomas Thiel mit Texten u.a. von Ludwig Seyfarth, Julian Heynen, Stephan Balkenhol, Stefan Kalmár, Ulrike Groos und Peter Weibel
ZKM Karlsruhe / Kehrer Verlag, Heidelberg, 2009, ISBN 978-3-86828-064-7, 464 S., zahlr. s/w- und Farbabbildungen, Klappenbroschur, Format 24 x 17,1 cm, € 36,--
Nach einer repräsentativen Studie im Auftrag der Identity Foundation aus dem Jahr 2009 sind 60 Jahre nach der Gründung der BRD und der DDR 60% der BundesbürgerInnen in Ost und West wieder stolz auf Deutschland. Der weltweite Erfolg von Leitwölfen der deutschen Kunst wie Joseph Beuys, Gerhard Richter, Sigmar Polke und jüngst von Jonathan Meese und Tobias Rehberger könnte auch auf die im Land blühende Kreativität stolz sein lassen.
Wer aber wie das ZKM mit seiner Ausstellung ‚Vertrautes Terrain’ und parallel dazu organisierten Diskussionen, Foren und Interviews in die Tiefe geht, nach den strukturellen Bedingungen der Entstehung von Kunst im Lande fragt und auch noch Blicke von außen zulässt, wird nicht einfach in Jubelarien ausbrechen. Er wird vielmehr wie u.a. Stephan Berg vom ‚Economic Turn’ auch im System Kunst sprechen, der die angestammten Aufgaben der Akademien, Kunstvereine und Museen verändert und zur Popularisierung und zum Denken in Marken zwingt. Auch im Kunstsystem werden die Gewinne zunehmend privatisiert und die Verluste sozialisiert. Privatsammlungen spielen gegenüber den öffentlichen Sammlungen eine immer größere Rolle. Deshalb ist es konsequent, dass man das Terrain auch von der Perspektive der Sammler aus beleuchtet, Referenzausstellungen wie z.B. ‚Von hier aus’ zum Vergleich heranzieht und der derzeitig gängigen Literatur eigene Resonanzräume einrichtet.
Anders als die Publikation zu ‚60 Jahre. 60 Werke. Kunst in der Bundesrepublik Deutschland 1949 – 2009’ verzichtet die Karlsruher Publikation auf Hochglanz, Hardcover und Schutzumschlag und gewinnt durch die Breite ihrer Darstellung die Chance, auch noch beim 90jährigen Jubiläum der Republik als respektable Analyse des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts gelesen zu werden. Ob sich bis zum Ende der 30er Jahre des 21. Jahrhunderts die derzeit hypotrophe Ausweitung der Kunstproduktion von den inzwischen klassisch gewordenen Medien Zeichnung, Malerei, Skulptur, Fotografie und Architektur in die Bereiche der Musik, der Alltags-, Konsum- und Popularkultur, des Designs, der Mode und die gegenwärtige Tendenz zu hybriden Formen noch verstärkt, ist auch nach der Lektüre des Bandes nicht auszumachen. Er verzichtet darauf, alles und alles besser zu wissen und setzt gerade dadurch Maßstäbe.
(ham)