Hrsg. von Marion Ackermann mit Texten unter anderem von Marion Ackermann, Wolfgang Ullrich und Joachim Valentin zur gleichnamigen Ausstellung vom 07.02. – 14.06.2009 im Kunstmuseum Stuttgart. Hatje Cantz Verlag, Ostfildern, 2009, ISBN 978-3-7757-2327-5,328 S., 100 Farbabbildungen, Hardcover, Goldschnitt gebunden mit Plakat-Schutzumschlag, Format 26,5 x 21,7 cm, € 39,80 (D)/SFR 69,00
Die exzellent gestaltete und gedruckte Goldschnittpublikation konstatiert, dass „beim Triptychon der Moderne entgegen der allgemeinen lexikalischen Definition die klassische Form des Dreitafelbildes mit betonter Mitte und schmaleren Seitenstreifen sowie seine ursprünglich religiöse Funktion in den Hintergrund treten. Neben neuen Themen und Motiven finden sich auch erweiterte Gestaltungsmöglichkeiten für die drei Bildtafeln“ (Marion Ackermann): Sie erhalten die gleichen Maße und teilweise fast identische Motive; sie werden nicht mehr miteinander verbunden und gelegentlich auch erst nachträglich als Dreiergruppe arrangiert und vereinzelt weist eine durchgehende Leinwand gemalte Unterteilungen auf. Der in Stuttgart gezeigte Überblick setzt bei Fritz von Uhdes „Die heilige Nacht“, 1888/89 ein und endet mit Jonathan Meeses eigens für die Ausstellung erarbeitetem Tryptichon: Ursprünglich hätte Meeses 2003 beim Ökumenischen Kirchentag in Berlin im Gropiusbau gezeigte Arbeit „Die Staatsversuchung der Gebenedeiten im Erzland“ gezeigt werden sollen. Aber der Sammler Charles Saatchi zog sie kurzfristig zurück. Ob die nicht nur in ihren Rottönen frische Meese-Arbeit tatsächlich, wie einige Kritiker bemängeln, unter den Bedingungen ihrer Entstehung gelitten hat, ist zumindest offen. So berichten Väter, dass sie mit ihren Kindern ohne Not ein, zwei Stunden vor Meeses „grabesfrischen Leibesübungen der totalen babymetabolischen Schlüpferrevolution“ gesessen haben und es den Kindern nie langweilig wurde. Es gibt also offenkundig viel zu sehen und zu verstehen.
Gespannt sein kann man auch, ob die Kunsthistorie Wolfgang Ullrichs Kategorie des Triptychons als autoritärem Bildformat folgen wird oder nicht. Ullrichs Argumentation läuft auf die Einschätzung hinaus, dass das Bildformat Triptychon den Betrachter passiv macht und subordiniert. „Er ist mit einem starken Bild wie mit einem Bekenntnis konfrontiert, dem gegenüber es nur die Alternative demütiger Hingabe oder schroffer Verweigerung gibt“ (Wolfgang Ullrich). Mit Zwischentönen und mit ästhetisch und religiös gebildeten Betrachtern rechnet diese Auffassung nicht. Zu den Verdiensten der Ausstellung gehört es, ausgehend von Otto Dix Großstadt-Triptychon von 1927/28 Hauptwerke unter anderem von Max Beckmann , Markus Lüpertz und Francis Bacon zusammengetragen zu haben und die Form des Triptychons bis hin zu Robert Longos „The Haunting“, 2005 und Pablo Wendels „Cardiac Cathedral“, 2008 zu verfolgen: Robert Longos Kohlezeichnung auf Papier reflektiert die terroristischen Anschläge vom 11. September 2001, spielt mit dem unvermeidlichen Wiedererkennungseffekt des Schreckens und zeigt, dass sich das Geschehen der medialen Bildproduktion entzieht: „Auf den beiden Seitenteilen ist das zweite Attentatsflugzeug aus jeweils unterschiedlicher Perspektive zu erkennen… Das mittlere Bild hingegen ist gänzlich schwarz. Es ist kein opakes Schwarz;… Die Rauchwolke verbindet die drei Bilder“. Pablo Wendels Videoinstallation zeigt das doppelt gespiegelte, von Infusionsschläuchen gehaltene Herz eines frisch geschlachteten Schweins. „Die zugeführte Nährlösung hält den Herzmuskel in Bewegung, jedoch nicht dauerhaft. Nach etwa 16 Minuten kommt es zum Stillstand. Das Organ kann nur durch eine erhöhte Zufuhr von Adrenalin wieder ‚zum Leben erweckt’ werden. Nur mühsam fängt es erneut an zu pumpen, zu schlagen“. (ham)