Tanze, Tod, tanze!
Matthäus Merian der Ältere
Emanuel Büchel
HAP Grieshaber
Publikation zur gleichnamigen Ausstellung vom 13.05. - 29.07.2012 in der Städtischen Galerie Villingen-Schwenningen ‚Lovis-Kabinett'
Hrsg. von Wendelin Renn mit Texten von Wendelin Renn und Ralf Gottschlich
Städtische Galerie Villingen-Schwenningen / Verlag Stadt Villingen-Schwenningen 2012, ISBN 978-3-939423-38-6, 192 S., zahlreiche Farbabbildungen, Hardcover gebunden, Format 23,5 x 16,5 cm, € 18,--
Sven Drühl
Totentanz
Künstlerbuch zur Ausstellung Sven Drühl, Totentanz. Bilder und Skulpturen vom 04.11. - 04.12.2011 im Hospitalhof Stuttgart mit Texten von Helmut A. Müller und Sven Drühl
Verlag Kettler, Bönen, 2012, ISBN 978-3-86206-162-4, 48 S., zahlreiche Farbabbildungen, Hardcover gebunden, € 16,--
Die Bildgattung der Totentänze könnte sich der großen Pandemie verdanken, der in Europa um 1350 geschätzte 25 Millionen Menschen und damit ein Drittel der damaligen Bevölkerung zum Opfer gefallen sind. Traditionell hatte man angenommen, dass diese Toten der Beulenpest zum Opfer gefallen sind. „Neuere medizinhistorische Forschungen gehen jedoch davon aus, dass es sich bei der Seuche eher um die Pocken oder um ein hämorrhagisches Fieber handelte, deren bekanntester Vertreter das Ebola-Virus ist" (Ralf Gottschlich). Erste Totentänze waren in der Abteikirche La Chaise-Dieux in der Auvergne und im Franziskanerkloster Aux Saints Innocents, Paris, entstanden. Sie haben sich von Frankreich aus sehr rasch in ganz Europa verbreitet und waren schon um 1440 als Wandmalerei auf der Innenseite des zum Baseler Dominikaner Klosters gehörigen Laienfriedhofs, 1463 in Lübeck und 1484 in Berlin zu finden. Ob der mit Temperafarbe ausgeführte Baseler Totentanz dem Maler Konrad Witz zugeschrieben werden kann, bleibt umstritten. Die mehrfach renovierte und überarbeitete Folge wurde 1621von Matthäus Merian dem Älteren in einer Folge von 43 Kupferstichen und zwischen 1770 und 1773 von Immanuel Büchel in einer Gouache-Folge dokumentiert. 1805 hat man die Baseler Friedhofsmauer abgerissen. „23 Bild- und 3 Textbruchstücke blieben erhalten, wovon heute 19 im Historischen Museum Basel verwahrt werden" (Ralf Gottschlich). Die zur Ausstellung ‚Tanze, Tod, tanze!' erschienene feine Publikation stellt HAP Grieshabers zwischen 24. Dezember 1965 und 13. Juni 1966 geschaffene Farbholzschnitt- und Holzschnittfolge ‚Totentanz von Basel' der Kupferstichfolge von Merian und der Folge von Gouachen von Büchel gegenüber, erläutert deren Entstehungsgeschichte und ordnet sie kunsthistorisch ein. „Grieshaber überlegte zwischenzeitlich, ob er die spätmittelalterlichen Standespersonen nicht den aktuellen Umständen anpassen und stattdessen Vertreter der Berufe darstellen sollte, die ihm besonders nahestanden, so zum Beispiel Drucker, Ätzer, Buchbinder, Setzer und Papiermacher. Schließlich verwarf er diese Idee aber und folgte dem Baseler Vorbild ohne inhaltliche Abweichung. Dennoch ist Grieshabers Interpretation ganz seiner eigener Zeit verpflichtet. Eine wichtige Rolle spielte dabei die Entscheidung für mehrfarbige Holzschnitte. Die Farbe ist wesentliches Element und Voraussetzungen für die freie Gestaltung der Folge, die sich damit von den schwarz-weißen Vorlagen [gt][gt]per se[lt][lt] emanzipierte" (Ralf Gottschlich). Die von Sven Drühl erstmals im Hospitalhof und in der Hospitalkirche Stuttgart vorgestellte großformatige malerische Totentanzfolge und seine eigens für die Ausstellung geschaffenen Skulpturen zeigen den Tod nicht mehr als unerbittlichen Gleichmacher, der jedermann und jede Frau vom Papst, dem Kaiser, der Kaiserin bis zum Bauer und Maler zu einem letzten Tanz auffordert. Bei Drühl erscheint der Tod als des ‚Schlafes Bruder', überaus freundlich und wie ein sich überlebt habender Mensch.
(ham)