Publikation zur gleichnamigen Ausstellung vom 11.11.2010 - 23.01.2011 im Kunstmuseum Bonn
Hrsg. von Stephan Berg und Christoph Schreier mit Texten von Gisela Parak und den Herausgebern
Kunstmuseum Bonn, 2010, ISBN 978-3-7757-2784-6, 120 S., 40 doppelseitige Farbtafeln, Hardcover gebunden, Format 37,5 x 25 cm, € 35,--
Bei den rituell wiederholten Weltklimagipfeln kann man darauf wetten, dass Amerika verbindlich festgelegte anspruchsvolle Klimaziele verhindert. Wenn die jeweiligen Regierungen Mitch Epsteins 2004 begonnene dokumentarische Fotoserie ‚American Power' aufmerksam studiert hätten, wären sie vielleicht bereiter, anspruchsvollen Klimazielen zuzustimmen. So zeigt ‚Amos Coal Power Plant, Raymond City, West Virginia 2004', 178 x 223 cm, eine etwas heruntergekommene ländliche Idylle mit Bäumen, Wiesen, einem weißen und einem gelben Holzhaus und einem knapp mannshohen Geräteschuppen. Der zentrale Baum in der Mitte der Komposition hat jegliche Power verloren. Er ist dürr geworden. Ob die beiden Kühltürme und Abgasschlote des örtlichen Kohlekraftwerks im Hintergrund für die Dürre verantwortlich sind, bleibt offen. Die Arbeit ‚Gavin Coal Power Plant, Cheshire, Ohio 2003', 178 x 229 cm, legt einen ursächlichen Zusammenhang nahe: Die beiden Abgasschlote von Cheshire verdunkeln den Himmel. Das ‚Kern River Oil Field, Oildale, California 2007', 178 x 223 cm, hat die vormals blühende Landschaft verwüstet. Aus der ‚Ocean Warwick Oil Platform, Dauphine Island, Alabama 2005', 178 x 229 cm, ist nach Katrina eine Toteninsel geworden: Die Aufnahme von Mitch Epstein „ist ein Beispiel für das perfekt ausbalancierte Zugleich von Harmonie und Destabilisierung. Die von dem Hurrikan Katrina komplett verwüstete Ölplattform scheint unmittelbar vor dem Strand auf den weichen, flachen Wellen zu schweben. Der obere Teil ihrer zerstörten Aufbauten spiegelt sich im nassen, bläulich schimmernden Sand. Im Vordergrund die verstärkte Stimmung eines vollkommenen Equilibriums. Im weichen, gelb-rosigen Licht vom rechten Bildrand leuchten die Farben der Plattform so warm und kostbar, als handele es sich dabei nicht um ein havariertes Wrack, sondern um eine prähistorische Kreatur oder eine geheimnisvolle, mystische Insel. Natürlich kann einem in diesem Zusammenhang Arnold Böcklins ‚Toteninsel' oder Théodore Géricaults ‚ Floß der Medusa' durch den Kopf gehen. ... ‚Ocean Warwick Oil Platform' ist ... als Bild so gelungen, weil es die zugleich produktive und zerstörerische Kraft unseres Strebens nach Energie visuell schlagend begreifbar macht" (Stephen Berg). Zusammen mit Abbildungen der Serie ‚Recreation. American Photographs 1973-1988' zeichnet Epstein ein Bild von Amerika nach, das möglicherweise seine Ideale verraten hat. „In jedem Fall skizziert ‚American Power' ein eher düsteres Bild des Status quo. In dieser Serie herrscht eine ... andere Stimmung als ... in den Aufnahmen der ‚Recreation'-Serie ... Damals waren die Vereinigten Staaten noch ein Versprechen, jetzt wirkt das politisch-wirtschaftliche Machtkartell wie eine Bedrohung ... Auf diese Weise veranschaulichen die ... Serien einen gesellschaftlichen Klimawandel, der radikaler kaum vorstellbar ist. Amerika hat sich verändert, und Epstein erweise sich als Chronist eben dieser Veränderung" (Christoph Schreier).
(ham)