Publikation aus Anlass der gleichnamigen Ausstellung vom 27.11.2010 - 23.01.2011 im Kunstverein Heidelberg
Hrsg. von Lilibeth Cuenca Rasmussen und Texten von Johan Holten, André Lepecki, Lars Bang Larsen, Bettina Knaup und einem Gespräch zwischen der Künstlerin und dem Kunsthistoriker Toke Lykkeberg
Heidelberger Kunstverein/Revolver Publishing, Berlin, 2010, ISBN 978-3-86895-118-9, 168 S., zahlreiche Farbabbildungen, Broschur, Format 20,1 x 19,9 cm, € 24,--
Elaine Sturtevant, geboren 1930 in Lakewood, Ohio, hat in den 1970er Jahren begonnen, Originalwerke zu wiederholen, so unter anderem Jasper Johns ‚Flags', Roy Lichtensteins ‚Hot dogs', Andy Warhols ‚Marilyn- und Flowers-Serien' und Joseph Beuys' ‚Fettstuhl'. Ihr konzeptionell angelegtes Werk hat eine kontroverse Debatte unter anderem über das Verhältnis von Original und Originalität angeregt und die damalige Vorstellung von Ästhetik erweitert. Sturtevants Beitrag gehört nach Udo Kittelmann zweifellos zu den interessantesten und außergewöhnlichsten Beiträgen der Gegenwartskunst. Wenn die 1970 in Manila geborene und heute in Kopenhagen, Dänemark, lebende Performerin und Medienkünstler Lilibeth Cuenca Rasmussen Performances der letzten 50 Jahre rekonstruiert, interpretiert, verändert und zuspitzt, verweist sie implizit auch auf Sturtevant und erweitert deren Konzept. Yves Klein hat in seinen Anthropometrien weibliche Modelle als „Pinsel" benützt. Cuenca greift auf männliche Modelle zurück. Wie Marina Abramovic teilt sie einem männlichen Partner Ohrfeigen aus und wird von diesem geohrfeigt. Wie John Lennon und Yoko Ono steigt sie mit einem Kunsthistoriker, der zugleich ihr Partner ist, ins Bett und diskutiert mit ihm über die Berechtigung ihrer als Hommage und zugleich als Kritik an den Ursprungsperformances verstandenen Remakes. „Es ist uninteressant und sogar unmöglich eine Nachahmung zu machen. Beispielsweise wenn ich Yves Kleins Anthropometries of the Blue Period wieder aufführe, hat das Stück eine weitere Schicht einfach deshalb, weil ich eine Frau bin und er ein Mann war. Er dirigierte seine weiblichen Models, wohingegen ich meine männlichen Models auf einer Leinwand umherzog und sie als Malpinsel benutzte, während ich überall blaue Farbe abbekam. ... Ich bin eine Geschichtenerzählerin. Ich verfasse ein Skript für eine Geschichte. ... In ‚A Void' von 2007, einem zweistündigen Performance Stück, das aus11 - 13 Remakes besteht, gibt es eine Geschlossenheit, die sehr unterschiedliche Performances verbindet, so dass sie ineinander verschmelzen ... Zum Beispiel lecke ich an einer Stelle den Boden mit meiner Zunge, was ein Remake ist von ‚Licked Room' von 2006 von Ene-Liis Semper ... Meine Zunge fängt an zu bluten. Das nächste Remake ist die Sequenz in Orlan's ‚Artist Kiss' von 1977, in der das Publikum einen Kuss vom Künstler kaufen kann - mit blutender Zunge. Dann schreibe ich und mache Körper-Abdrücke mit Blut an der Wand, ein Remake von Ana Mendietas ‚Body Tracks' von 1974. Die Aufeinanderfolge der Stücke verbindet sie miteinander und erzählt eine völlig neue Geschichte" (Lilibeth Cuenca Rasmussen). Die im Heidelberger Kunstverein gezeigten und im Katalog zur Ausstellung dokumentierten Arbeiten geben einen ersten Überblick über die Arbeiten der Künstlerin aus den letzten anderthalb Jahrzehnten.
(ham)