Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Museum Schloss Moyland vom 28.06. - 25.10.2009 und in der Kunsthalle Schweinfurt vom 12.02. - 16.05.2010. Hg. von der Stiftung Museum Schloss Moyland. Mit Texten von Cees de Boer, herman de vries, Heinz Mack, Henry Noltie, Erich Schneider, Barbara Strieder, Aurélie Tiffreau [&] Katharina Winterhalter. Eigenverlag, Bedburg-Hau, 2009, ISBN 978-3-935166-47-8, 148 Seiten, 68 ganzseitige, teilweise ausklappbare Farbtafeln, gebunden, Format 31,5 x 24,5 cm, € 24,90
„jedem seine macke" pflegte mein großvater zu sagen, bevor er wieder in das goldfischglas aschte. auch der 1931 geborene herman de vries hat so seine eigenheiten. zum beispiel meidet er ob einer aversion gegen hierarchien seit 1956 großbuchstaben. er trägt einen weißen rauschebart und lässt sich gerne ohne störende bekleidung in der natur fotografieren, denn natur, des künstlers „primäre wirklichkeit", sollte in ihrem sosein gezeigt werden, ohne mit bedeutung aufgeladen zu werden. ein hehres ziel, das sich allerdings mit der herstellung und dem vertrieb kunstlastiger ware nicht recht vertragen will. jeder gegenstand, mag er noch so profan sein, der ästhetisch verfeinert, in einem geschlossenen raum präsentiert und als kunst deklariert wird, ist automatisch mit bedeutung aufgeladen.
herman de vries sammelt pflanzen, blätter, steine, holzstücke, erden und aschen, die er in vielteiligen werken verarbeitet. die erden sammelt er auf seinen reisen und verreibt sie mit dem finger zu rechteckig-wolkigen farbfeldern. gräser, schlingpflanzen und blätter verarbeitet er zu ansprechenden kompositionen auf weißem papier, ein verbrannter eichenstamm ruht bedeutungsvoll bedeutungslos in einer vitrine. seine materialkompositionen sind in ihrer schlichten schönheit über jeden zweifel erhaben, nur sind diese werke eben keine natur mehr und der rezensent mag dem künstler auch nicht abnehmen, dass hier ohne künstlerische komposition gearbeitet wird. dass de vries bestrebt ist, die eingriffe in das material so gering wie möglich zu halten, „der wirklichkeit an sich gewahr [zu] sein!"deckt sich nicht mit einem riesigen bild wie „from earth: deutschland, 2006" mit 504 akkuraten erdausreibungen oder dem 173teiligen „eschenauer journal" von 2002. de vries erklärt den ästhetischen widerspruch zwischen künstlerischem ausdruck und dem bemühen um größtmögliche objektivität mit der „'poesie des augenblicks', die in einem bestimmten moment zu eben dieser oder jener anordnung von etwas führt, aber dennoch über den augenblick hinaus objektive gültigkeit besitzt".
die grenzenlose begeisterung für die natur und de vries' theoretische wanderungen zwischen wittgenstein und zen-buddhismus wirken zuweilen arg romantisch und esoterisch, aber er macht schöne bilder und was soll's ... wenn der künstler das nächste mal nackt und mit ausgebreiteten armen am waldrand steht, befindet sich hoffentlich kein hungriger problem-bär in der nähe.
(Michael Reuter)