Mit einem Text von Heinz Liesbrock
Schirmer/Mosel Verlag München, 2012, ISBN 978-3-8296-0583-0, 168 S., 98 Farbtafeln, Hardcover gebunden mit Schutzumschlag, Format 26,2 x 31,2 cm, € 49,80/€ 51,20 (A)/SFR 70,90
Gärten, Wiesen, von Obstbäumen bewachsene Haine und Felder haben in den Kriegs- und Nachkriegsjahren eine tragende Rolle bei der Selbstversorgung der Bevölkerung gespielt. Die 1962 geborene Bernd und Hilla Becher-Meisterschülerin Simone Nieweg dokumentiert diese unterhalb der Erwerbsarbeit und fern industriell betriebener Bewirtschaftung angesiedelte Form des Bebauens und Bewahrens der orts- und siedlungsnahen „Natur der Menschen". Die vor allem in Deutschland, Frankreich und England zu findende Form der Kleingärtnerei hat sich seit dem 19. Jahrhundert ausgebildet, wurzelt in den sozialen Bedingungen der Industrialisierung und diente den häufig noch auf dem Lande in bäuerlichen Verhältnissen groß gewordenen Arbeitern zur Versorgung mit Lebensmitteln. „Mit der Lebensmittelknappheit im Zweiten Weltkrieg und in den ersten Jahren nach dessen Ende erleben diese Nutzgärten ihre bisher letzte Renaissance... Die Kompositionen, in denen ... Blicke auf Landschaft, Garten- und Ackerbau gefasst werden, sind scheinbar unspektakulär, und erst mit der Dauer der Betrachtung zeigt sich die formale Genauigkeit, mit der die Fotografin die Phänomene festhält. Es ist eine Sorgfalt, die alle Elemente berücksichtigt und ihnen einen Platz im visuellen Geflecht des Bildganzen gibt, so dass ihre Eigentümlichkeit hervortreten kann. Wir sehen, wie sich ein grün bewachsener Hügel wölbt und die Furchen eines Ackers sich bis zum entfernten Horizont ziehen; wie die Kohlpflanzen in einem Herbstgarten üppig stehen und wie ein schwerer Kürbis in seiner Reife von seiner Stütze kaum noch getragen wird; wir sehen die blühenden Pflanzen vor einer alt gewordenen Mauer aus Bruchsteinen, und wir sehen die mit einfachen Mitteln gezimmerten Rankhilfen und Geräteschuppen. Und doch entdecken wir die Dinge nicht allein in ihrer faktischen Präsenz, sondern zugleich den Reichtum konstruktiver Momente, der sie einfasst: die Linien, die optischen Gewichte, die Farben und die Schattierungen des Lichts, die Struktur der Kleinformen, die zwischen Vorder- und Hintergrund vermittelt. Es ist dieser ästhetische Überschuss, der alles erst zum Leuchten bringt. Aus Nutzformen der Natur entsteht eine Schönheitsvorstellung, die den Dingen eine besondere Präsenz verleiht, ihnen Dauer zu geben scheint und sie so beschützt vor ihrer bloßen Funktionalisierung" (Heinz Liesbrock).
(ham)