Hrsg. von Philipp Harnoncourt, Birgit Pölzl und Johannes Rauchenberger
Publikation zum gleichnamigen Kunstprojekt mit Kunstwettbewerb, Literaturwettbewerb, Auftragstexten, Auftragskompositionen in neuer Musik und zeitgenössischem Tanz vom 19. - 22.06.2011 im Kulturzentrum bei den Minoriten in Graz
Edition Korrespondenzen, Reto Ziegler, Wien, 2011, ISBN 978-3-902113-88-7, 232. S., Essays, Erzählungen, Texte, zahlreiche Farbabbildungen, Klappenbroschur, Format 18,8 x 21,2 cm, € 29,90
1985 war auf der Art Basel Albert Oehlens annähernd quadratische mittelformatige Malerei ‚Dreieinigkeit, Natur, Nichts' vom selben Jahr zu entdecken. ‚Dreieinigkeit, Natur, Nichts' zeigt im rechten oberen Eck einen blauen, in der oberen Mitte davon etwas abgesetzt und nach vorne gerückt einen roten und in der oberen linken Ecke einen etwas kleineren und wieder nach hinten gerückten gelben Kubus. Die Kuben liegen auf einem schmutzig grau-violett-braunen Hintergrund, in den schlampige Felder oder Karrees eingezeichnet sind. Der blaue und gelbe Kubus scheint durch schwarze Türen auf der Vorderseite, der rote durch eine schwarze Türe auf der Längsseite des Kubus zu betreten zu sein. Über den Türen sind weiße Schilder angebracht. Über der Türe in den blauen Kubus liest man in schwarzen Druckbuchstaben ‚Dreieinigkeit', über der Türe in den roten Kubus ‚Natur' und über der Türe in den gelben Kubus ‚Nichts'. Gut 20 Jahre später hat sich Philipp Harnoncourt bei der Vorbereitung eines Wiener Lehrgangs über „Das Gottesbild der Christen" dazu entschlossen, den trinitarischen Monotheismus der Christen an Hand von Bildern darzulegen. Bei der Recherche ist er im ersten Jahrtausend in den Schriften und Predigten der Kirchenväter auf die bildhafte Sprache von Vater, Sohn und Heiligem Geist gestoßen, die „die Beschäftigung der Kunst mit diesem Thema angeregt hat. Im 2. Jahrtausend tritt die theologische Reflexion gegenüber der aufblühenden bildenden Kunst in den Hintergrund. Im Abendland sind vor allem vom 13. bis ins 17. Jh. geradezu aufregend dramatische Trinitätsbilder geschaffen worden. Neben diesen sind die späteren - Alter Mann mit weißem Bart / junger Mann mit dunklem Bart und Wunden an Brust, Händen und Füßen / Taube, die über, zwischen oder unter ihnen flattert - langweilig und blass" (Philipp Harnoncourt). Harnoncourt ist in seiner Beschäftigung mit Bildern von der Trinität zu der Überzeugung gekommen, dass der Trinität als dem tiefsten Geheimnis des Glaubens der Christen wieder höchste Aufmerksam gewidmet werden muss und dass der Trinitätsglaube ständig monotheistisch zu korrigieren ist. In diesem Prozess kommt für ihn den Künsten „allerhöchste Bedeutung zu, ist es doch ihre ureigenste Aufgabe, die Grenzen des unmittelbar Wahrnehmbaren aufzubrechen und offen zu halten: Unsichtbares sichtbar zu machen, Unsagbares zu Gehör zu bringen und Ungreifbares begreifbar werden zu lassen. In einer im Diesseits gefangenen säkularen Gesellschaft ist große Kunst die wichtigste Hüterin des Heiligen" (Philipp Harnoncourt). Aus dieser Überzeugung ist das mit Hilfe von Freunden und dem Kulturzentrum bei den Minoriten in Graz realisierte Kunstprojekt ‚1 + 1 + 1 = 1 Trinität' herausgewachsen, in dessen Rahmen Künstler zu Darstellungen der Trinität Essays, Erzählungen, Auftragstexte, Auftragskompositionen neuer Musik und zeitgenössischem Tanz und Werke der Bildenden Kunst entstanden sind. Die Anlage des Projekts hat Arbeiten wie die von Albert Oehlen nicht in den Blick bekommen. Dafür ist Oehlen gleichsam mittelbar in der Rauminstallation von Anneliese Schrenk präsent: Anneliese Schrenks ‚Körper Nr. 1/3/4, 2011, Leder, 3-teilig, je 182 x 56 x 28 cm zeigt drei mit Rindsleder überzogene Quader in den Farben weiß, schwarz und braun. Die Größe eines Quaders ist in seinen Maßen an die menschliche Körperform angelehnt. Das Leder erinnert an die Haut als das Organ, über das Innen und Außen kommunizieren. Unter den Texten ist unter anderem Julian Tänases Text ‚Drei Knochen' mit einem ersten Preis ausgezeichnet worden, der in surrealem Aberwitz nachzeichnet, wie aus drei transmigrierenden Knochen, die Linkes Auge, Rechtes Auge und Mund heißen, eine Seele wird. Aufs Ganze gesehen, und das war abzusehen, musste das Projekt nach Johannes Rauchenberger gleichwohl scheitern. „Wir haben es dennoch unterstützt", schreibt Johannes Rauchenberger. „Denn Scheitern kann unglaublich spannend sein und auf höchstem Niveau stattfinden: Herausgekommen ist dieses Buch, das neben den Auftrags- und Wettbewerbstexten die bildnerischen Arbeiten zum Thema versammelt: leichthändig, klug, reflektiert, ironisch und persönlich. Von den 180 Einreichungen in bildender Kunst werden ... 19 Positionen vorgestellt ..." (Johannes Rauchenberger). Auf den ersten Blick scheint Leo Zogmayer Johannes Rauchenberger zuzustimmen, wenn er in seinem Tryptichon ‚Satz 7' von 2009/2011 an Ludwig Wittgensteins Tractatus logico-philosophicus „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen", erinnert. Aber Zogmayer widerspricht der vermuteten Zustimmung in seinem als Glasbild realisierten Tryptichon entschieden. Auf dem Tryptichon schreibt er in weißen Großbuchstaben auf Schwarz: „Darüber kann man" / "Man muss nicht" / „Reden schweigen wovon".
(ham)