Publikation zur 11. Triennale Kleinplastik Fellbach vom 12.06. - 11.10.2010
Hrsg. vom Kulturamt der Stadt Fellbach mit Texten unter anderem von Ulrike Groos, Heike van den Valentyn, Georg Imdahl und Heinz-Norbert Jocks
Stadt Fellbach/Snoeck Verlagsgesellschaft Köln, 2010, ISBN 3-9807598-8-1, 352 S., 300 Farbabbildungen, Softcover, Format 28 x 22,2 cm, € 24,-- (Museumsausgabe)
Mit der von Heinz Fuchs, Mannheim kuratierten ersten Triennale Fellbach: Kleinplastik in Deutschland im Jahr 1980 ging ein Traum des damaligen Oberbürgermeisters Friedrich-Wilhelm Kiel in Erfüllung: „Für mich ist es einer jener seltenen Fälle, wo die Wirklichkeit den Traum einholt". Fellbach hatte mit der auf Kleinplastik konzentrierten Ausstellung ein Ausstellungsformat installiert, das für die Stadt mittlerer Größe im Kampf um öffentliche Aufmerksamkeit zu einem Alleinstellungsmerkmal geworden ist und darüber hinaus den örtlichen Künstlern eine potenzielle Bühne versprochen hat. Die vom ersten und den meisten weiteren Kuratoren aufgeworfene Frage, was groß und was klein heißen soll und was das für die Kleinplastik bedeutet, wird im 30. Jahr des Bestehens von der Kuratorin der 11. Triennale Kleinplastik Ulrike Groos mit dem Hinweis auf den in der Ausstellung gezeigten Kurzfilm ‚Powers of Ten' von Ray [&] Charles Eames beantwortet: Der Film verdeutlicht die heute in der naturwissenschaftlichen Debatte selbstverständlich gewordenen Größenordnungen zwischen 1024 und 10-16 Metern und damit die im Makro- und Mikrokosmos geltenden Maßstäbe und die Relativität der Frage. Auf Eduard Beaucamps polemischen Artikel in der FAZ im November 2008 gegen die Gigantomanien der Kunst „Wohin mit den Schinken? Die Zukunft gehört der Miniatur" braucht Groos nur noch in einer Anmerkung zu verweisen. Groß und Klein kommen heute gut miteinander zurecht. Groos erläutert, dass die Ausstellung im wesentlichen zwei Linien wichtig nimmt, einmal den kleinen Maßstab und das kleine Format als Ordnung- und Organisationsprinzip unserer Wahrnehmung und zum anderen den verkleinerten Maßstab, die Miniaturisierung als Stilmittel der Pointierung und Verfremdung. „Von Bedeutung für beide Formen gleichermaßen sind außerdem als quasi ‚äußerliche Faktoren' das Verhältnis zum Maß, Maßstab und zu den Proportionen sowie Aspekte von Materialität und Stofflichkeit. Dazu treten als ‚innerliche Faktoren' die Übersetzung und Transformation einer Idee, eines Gedankens, einer inneren 'Größe' in eine äußerlich kleine Form" (Ulrike Groos). 1980 hat sich die Triennale auf deutsche Positionen beschränkt. 2010 dominieren internationale. Auffällig ist die Häufung von Guckkästen. Darunter der Holzkasten ohne Titel und ohne Jahr der zu Unrecht vergessenen A.M. Jehle mit seinem messingfarbenen Stern über einem aus grünen Stoffresten gefertigten Alpenpanorama und einem gebogenen Kupferrohr, die Psychokisten des Franzosen Vincent Tavenne mit ihren Erinnerungen an ungereimte Traumreste und Mark Dions spektakuläres Diorama ‚Landfill', 1999-2000, das ausgestopfte Vögel in einer zur Müllhalde gewordenen Landschaft zeigt und eine Dystopie entwirft, eine Negativutopie, „wobei die Illusion des Dioramas durch den Rahmen, den Holzkasten und Reste von Bauschaum gebrochen wird" (Jennifer Crowley). Eines der auffälligsten Objekte der Ausstellung, Rachel Kneebones Porzellanskulptur ‚The Descent', 2008, überschreitet in großer Selbstverständlichkeit die einst von Manfred Schneckenburger ausgegebene Devise, dass Kleinplastiken maximal einen Kubikmeter groß sein sollten: Kneebones Höllensturz ist 1,50 m hoch und hat einen Durchmesser von zirka 350 cm. „Kneebone verzichtet auf die Präsenz eines göttlichen Richters und lässt ihre Figuren am Rande des Abgrunds in die tragische Szenerie hineinblicken. Die stufenartige Organisation des Höllensturzes intensiviert das transitorische Moment von Kneebones Figuren, deren Körper lediglich aus Beinpaaren und einem blütenartigen Fortsatz bestehen. Die einzelnen handgeformten Glieder wie auch das üppige und filigrane Rankenwerk bilden ein ewig strömendes und zugleich stummes Inferno. Wie Ovids Metamorphosen von unzähligen Verwandlungen zeugen, so scheinen auch die Verdammten in Kneebones Höllensturz nur Zwischenstadien auf dem Weg zu neuerlichen, niemals endenden Verwandlungen zu durchlaufen" (Heike van den Valentyn).
(ham)