Faszination Farbe im Gegenlicht
Publikation zur gleichnamigen Sonderausstellung vom 09.07. - 09.11.2011 im Badischen Landesmuseum Karlsruhe
Hrsg. von eben diesem mit Texten unter anderem von Harald Siebenmorgen, Daniel Spanke, Holger Brülls und Peter Schmitt
Info Verlag GmbH / Badisches Landesmuseum Karlsruhe, 2011, ISBN 978-3-937345-50-5, 271 S., zahlreiche Farbabbildungen, Hardcover gebunden, Format 27,5 x 21,4 cm, € 26,90
Unzerstörte mittelalterliche Glasfenster in Kathedralen faszinieren ebenso wie die im Kontext der Art Sacré-Bewegung entstandenen Glasfenster in der Kirche Notre-Dame-de-Toute-Grâce in Plateau d'Assy bei Chamoix von Marc Chagall , die Glasfenster in der Rosenkranzkapelle von Vence von Henri Matisse und die Glasfenster in der Kirche Sacré Coeur in Audincourt von Fernand Léger. Zu letzterem werden sogar Gruppenreisen angeboten. Aber es hat erst das spektakuläre abstrakte Glasfenster von Gerhard Richter für das Südquerhaus des Kölner Doms (2007), die Raum beherrschenden Fenster in der figurativen Tradition von Markus Lüpertz für den südlichen und nördlichen Chorarm der Kölner St. Andreas-Kirche (2005- 2010), Neo Rauchs Entwürfe ‚Abschied - Kleiderspende - Krankenpflege' für die Elisabethkapelle im Naumburger Dom (2006/2007), Sigmar Polkes Achatschnitte für das Großmünster in Zürich und Imi Knöbels abstrakte Entwürfe in den Farben Rot, Gelb und Blau für die Krönungskapelle in Reims gebraucht, dass es Glasfenster in das überregionale Feuilleton geschafft haben. Der Streit um Johannes Schreiters das Wissen der Zeit ins Bild holende Glasfensterentwürfe für Heilig Geist, Heidelberg hatte zwar schon einmal zu einer regen Diskussion geführt. Aber im Zentrum des öffentlichen Diskurses standen dann weniger die Entwürfe als die Verwunderung über die kaum nachvollziehbare Ablehnung. Im Vergleich zu den Seiteneinsteigern Richter, Lüpertz, Polke und Knöbel haben es die Vertreter des Stuttgarter Lehrstuhls Glas und ihre Schüler im System Kunst immer noch schwer. Das mag einer der Gründe dafür gewesen sein, dass Johannes Hewel, ein Schüler von Hans-Gottfried von Stockhausen, in der Stuttgarter Kunstakademie neben Glasmalerei auch freie Malerei unterrichtet hat. Die jetzt im Badischen Landesmuseum Karlsruhe gezeigte exzeptionelle Ausstellung zeichnet die Entwicklung der Glasmalerei vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert an ausgewählten Beispielen nach und gibt dann einen glänzenden Einblick ins 20. und beginnende 21. Jahrhundert. Zu den letzten Exponaten gehören die auf Floatglasbasis entwickelten Entwürfe des Esslinger Glaskünstlers Bernhard Huber ‚Malerei I und Malerei II' von 2006. „Im Vergleich zu den traditionellen Materialien eröffnet das industriell gefertigte Floatglas der Glasmalerei ganz neue Möglichkeiten in der Herstellung und im künstlerischen Ausdruck. Insbesondere ermöglicht es den Verzicht auf das Bleinetz. Die Gesamtkomposition kann also - auch im Großformat - auf einer einzigen Scheibe aufgebracht werden. Zudem ist Floatglas nicht einfach neutrales Trägermaterial. Seine Klarheit, sein brillanter Glanz und seine damit verbundene Fähigkeit, Licht zu reflektieren, ermöglicht es, den Bildgrund Glas in den künstlerischen Ausdruck aktiv mit einzubeziehen. Bernhard Huber nutzt diese Eigenschaften des Floatglases mit aller Entschiedenheit" (Jutta Dresch).Ob Xenia Hausners in Karlsruhe gezeigte Probescheibe für die Kilianskirche in Heilbronn ‚Der Blick ins Jenseits' von 2010 realisiert werden kann, wird im Streit zwischen den Auftraggebern und der Denkmalbehörde entschieden. „Im Südschiff der berühmten gotischen Hallenkirche sollen neue Fenster die Provisorien aus der Nachkriegszeit ersetzen. Xenia Hausner und Max Uhlig waren eingeladen, dafür gegenständliche Darstellungen zu entwerfen. Die Wahl der Verantwortlichen fiel auf die Entwürfe der aus Wien stammenden Künstlerin Xenia Hausner. Ihre Fenster sollen aus vier bemalten, ohne Zwischenraum zusammengesetzten Scheiben gefertigt werden. Xenia Hausner arbeitet im Rahmen des Heilbronner Projekts erstmals in der Glasmalerei und überträgt dabei ihren in anderen Techniken erprobten malerischen Stil. Die Künstlerin entwarf starkfarbig leuchtende, großflächig gemalte und doch ausschnitthafte Bilder, deren Gesamtkomposition sie als Flügelaltar sieht. Im Zentrum liegt das ‚Lebensschiff' vor Anker. Seitlich davon thematisieren zwei Fenster die Familie als Fundament der Gesellschaft: Links erscheint der Vater, ihm zugeordnet ist ein Fisch als christliches Symbol. Rechts sind Mutter und Kind unter der Hand Gottes dargestellt. Die Fenster ganz außen thematisieren Grundfragen des Lebens.... Insgesamt will die Künstlerin ... das Verhältnis des Einzelnen zur Welt ... zeigen: Ein Gesellschaftsbild mit christlichen Tugenden für die Neuzeit' ... Gleichzeitig werden im Chor sechs abstrakte Kirchenfenster von Bernhard Huber realisiert" (Jutta Dresch).
(ham)