Publikation zu den gleichnamigen Ausstellungen vom 29.08. - 08.09.2009 in der Kunsthalle Düsseldorf, vom 16.05.2009 - 22.01.2010 in der Generali Foundation, Wien und vom September - Oktober 2010 im Museum of Contemporary Art Zagreb mit Texten unter anderem von Tim Holert, Horst Bredekamp, Georgia Holz, Jari Ortwig und einem Vorwort von Ulrike Groos, Sabine Folie und Thiomir Milovac
Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, ISBN 978-3-86560-679-2, 2009, 152 S., 115 Farbabbildungen, Klappenbroschur, Formt 28 x 21,5 cm, € 29,80/SFR 49,90
Die 1962 in Sarajevo geborene Danica Dakić wurde unter anderem durch ihre Ausstellung ‚Prayer' im Kunstverein Ulm im Jahr 2002, ihre Beteiligung an der 8. Istanbul Biennale 2003 und an der documenta 12 im Jahr 2007 bekannt. „Zentrale Themen der Künstlerin sind Fragen der Identität, Heimat und Kultur, mit denen sie sich in den unterschiedlichsten Medien auseinandersetzt - von der Zeichnung über Fotografie, Video- und Soundarbeiten, Performances bis hin zu plastischen Objekten. Vor dem Hintergrund ihrer eigenen Migrationserfahrung spielen Sprache und Rollenbilder sowie deren Bedeutung angesichts von gesellschaftlichen Veränderungen, Globalisierungsprozessen und Krieg eine wichtige Rolle für ihre Arbeiten" (Ulrike Groos/Sabine Folie/Tihomir Milovac). Ihre für die Istanbul Biennale 2003 entwickelte Videoinstallation ‚Surround' zeigt sieben Menschen, die sich zu einem Leseritual versammeln. Unbekleidet, ohne einer kulturellen oder sozialen Gruppe zugeordnet werden zu können, bewegen sie sich auf eine runde Scheibe mit aufgeschlagenen Büchern zu und knien vor ihnen nieder. Langsam beginnt sich die Scheibe zu drehen und verwandelt das Bild der Körper und Bücher in ein sternenförmiges Ornament. Es erklingen Stimmen, die in verschiedenen Sprachen wie Sanskrit, Latein, Arabisch oder Hebräisch religiöse Texte vorlesen und singen. Dabei handelt es sich um Auszüge aus heiligen Schriften des Christentums, Judentums, Islam, Hinduismus, Taoismus, Konfuzianismus und Buddhismus... Nach der ersten Leserunde wird die Bewegung der Drehscheibe kurz unterbrochen. Der Körperkreis löst sich auf, um sich dann erneut auf der Plattform zu bilden... Für die Tonaufnahmen haben Angehörige verschiedener Religionen in Düsseldorf und Köln Texte gelesen und gesungen, die ihnen selbst viel bedeuten". Bei der Arbeit geht es Danica Dakić nicht darum, Wissen über die Religionen zu vermitteln, sondern ein Bild zu schaffen von einer Gemeinschaft, die sich durch eine gemeinsame rituelle Handlung immer wieder zusammenschließt...." (Danica Dakić). Für Ihre Video-Arbeit ‚Isola Bella' von 2007/2008 hat sie mit Bewohnern eines Heims für Behinderte in Pazarić, Bosnien, zusammengearbeitet. „Auch hier war der Anstoß ein Bild: die historische Panoramatapete Isola Bella... Von dem Heim in Pazarić hatte ich vor langer Zeit einmal gelesen. Es hatte mich fasziniert, dass dieses Heim gewissermaßen auch während des Krieges wie eine Insel fungiert hatte und von größeren Zerstörungen verschont geblieben ist" (Danica Dakić). „'Wo ist das Publikum?' so lautet die Frage, die eine der Figuren zu Beginn von ... Isola Bella ... auf Bosnisch stellt... Kaum ist die Frage ausgesprochen, füllen sich die drei Reihen von Stühlen nach und nach mit insgesamt 23 Menschen... In ‚Isola Bella' tragen alle Beteiligten, die auf der Bühne ebenso wie die auf den Stühlen im Zuschauerraum, Masken... Die Mitglieder des Publikums haben offensichtlich Rollen, Masken, personae, angenommen. Man könnte auch sagen, das Publikum spielt sich selbst ... Statt die Welt der Marginalisierten, mit denen die Künstlerin in Kontakt tritt, zum Gegenstand einer abbildenden Aktivität zu machen, wird mit choreographischen, dramaturgischen, bühnenbildnerischen und anderen gestalterischen Mitteln eine Gegenwelt geschaffen. Dieser Welten bauende Ansatz, der die Imaginationsfähigkeit der Beteiligten ebenso fördert und nützt wie die Methoden der De- und Rekontextualisierung, ist nicht vollkommen frei von dokumentarischen Dimensionen; doch es fehlt das Dokumentarische ... als Evidenzmaschine. Statt dessen kommt Fiktionalisierung und Stilisierung ins Spiel... Dakić (schafft) mit ihren MitstreiterInnen immer wieder das, was in der Performativitätstheorie als Liminalität, als Schwellenphase bezeichnet wird... Wenn performativ herbeigeführte Liminalität auf Erfahrungen der ‚Wiederverzauberung der Welt' (Erika Fischer-Lichte) in der Aufführung beruht, dann besteht Dakić ebenfalls auf einer solchen Wiederverzauberung. Allerdings mischt sie die Strategien des Theaters, der Performance, der Fotografie und des Films" (Tom Holert).
(ham)