Publikation anlässlich des öffentlichen Auftrags des Ministeriums für Kultur und Medien, DRAC Champagne-Ardenne, an Imi Knoebel für die Erstellung von Buntglasfenstern für zwei Kapellen in der Kathedrale Notre-Dame in Reims
Hrsg. von der Direction Régionale des Affairs Culturelles Champagne-Ardenne mit Beiträgen unter anderem von Oliver Kaeppelin, Klaus Lueb, Martin Schulz und Johannes Stüttgen
Kerber Verlag, Bielefeld, 2011, ISBN 978-3-86678-501-4, 160 S., zahlreiche Abbildungen, Hardcover mit Schutzumschlag, gebunden, Format 31 x 24,5 cm, € 44,80/SFR 60,--
Der Auftrag an den Deutschen, Imi Knoebel, zwei links und rechts der zentralen Sichtachse der Krönungskathedrale von Reims gelegenen Kapellen mit Buntglas auszustatten, hat zu allererst eine politische Dimension: 1914 haben deutsche Soldaten Reims nahezu komplett zerbombt. 1962 haben sich Charles de Gaulle und Konrad Adenauer vor dem Eingang der Kathedrale die Hand gereicht und die deutsch-französische Aussöhnung besiegelt. Dass ein Deutscher die sechs Fenster gestalten sollte, unterstreicht den entschiedenen Willen zur Versöhnung im heute größeren Europa. Die Wahl des abstrakten Minimalisten und erklärten Atheisten unterstreicht zweitens die religionspolitische Einsicht, dass man im säkularen französischen Staat selbst in der Krönungskathedrale nicht mehr auf die überkommene mittelalterliche Lichtsymbolik, sondern auf das nicht mehr weltanschaulich gebundene freie Spiel der Farben, Formen und Flächen setzen will. Deshalb hat man es dem 1940 geborenen Imi Knoebel überlassen, ein gleichsam religionsneutrales Bild zu schaffen, das durch seinen „Klang" den Geist und die Sinne aller Besucher erfreut. Knoebel griff bei seinem Entwurf auf seine Serie von 54 Messerschnitten in den Farben rot, gelb und blau aus den Jahren 1978/79, Acryl und Lack auf Papier, collagiert, je 100 x 70 cm, die parallele Arbeit ‚Rot Gelb Blau I-VI', ebenfalls 1978/79, Acryl und Lack auf Holz und Gläser in vier Blau-, drei Rot-, zwei Gelb- und eine Weißstufung zurück. Die beiden gelben, eines der drei roten, zwei der vier blauen und das weiße Glas sollten gestrahlt werden, „die übrigen Glasflächen hingegen sollten unbehandelt bleiben". Angestrebt war das ideale Gleichgewicht „zwischen transparentem und lichtdurchlässigem Glas, zwischen Tönung, Zeichnung und Farben". Die auf acht anstatt wie üblich auf sieben Millimeter angelegten Bleistege sollten „das ‚Bild' ... betonen" (Marc Nouschi). Ob Knoebels Bilder in der Tradition von Minimalismus und Abstraktion oder in der Tradition von Abt Souger und der mittelalterlichen Lichtmetaphysik oder in beiden Traditionen gelesen werden, steht den Betrachtern frei.
(ham)