Verlag C.H. Beck Wissen in der Beck'schen Reihe Nr. 2571, München 2009, ISBN 978-3-406-59272-0, 128 S., 31 s/w- und 16 Farbabbildungen, eine Karte, Broschur, Format 18 x 11,8 cm, € 7,90 (D)/SFR 14,90/€ 8,20 (A)
Wer 8000 Jahre Kunstgeschichte auf 128 Seiten zusammenfassen muss, braucht neben intimer Kennerschaft äußerste Disziplin und die Fähigkeit, sich kurz zu fassen. Das Vorhaben ist dem vormaligen Professor der Kunstgeschichte Ostasiens an der Universität Zürich mit Bravour gelungen. Zufallsfunde unter anderem in Gräbern und eigens vorbereiteten Verstecken und Horten haben das Bild von der Kunst Chinas in den letzten 60 Jahren grundlegend verändert. Zu den spektakulärsten Funden gehören das T-förmige Seelenbanner aus Grab Nr. 3 in Mawangdui, Hunan, aus der Zeit der westlichen Han-Dynastie, um 168 v.Chr. „Reste einer Bambusstange im Saum des oberen Randes deuten darauf hin, dass solche in alten Texten als ‚lingqi' oder ‚mingjing', [gt]Seelenbanner[lt] oder [gt]Grabfahnen[lt] bezeichnete Seidengemälde vermutlich bei den Begräbnisritualen gebraucht und möglicherweise an einer Stange in einer Trauerprozession mitgetragen wurden" (Helmut Brinker). In einem Hort aus der späten Shang-Dynastie (13-11. Jh. v.Chr.) wurde die auf einem Sockel stehende 262 cm große stehende Bronzefigur eines schlanken Mannes gefunden, „ein im wahrsten Sinne des Wortes einzigartiges Meisterwerk... Sie war in ihrer Taille ... auseinandergebrochen und vor der ‚Bestattung' einem Feuer ausgesetzt" (Helmut Brinker). Über die Jahrtausende ist ‚qiyun' zu einem Kardinalbegriff der gesamten chinesischen Kunsttheorie geworden. Er setzt sich zusammen aus ‚qi', Lebensatem, vitale Essenz und ‚yun', emotionale Resonanz. Er meint also den Widerhall des lebendigen Atems, „der durch die sichtbaren Spuren im Betrachter zum Klingen gebracht wird und ihn auf diese Weise mit dem Künstler in Kontakt treten lässt" (Helmut Brinker). Er geht vermutlich von der Poetik aus und wurde in die Theorie der Schriftkunst und Malerei übernommen. „Der Kunsttheoretiker Xie He (tätig ca. 500 - 536) benutzt ihn bereits als feststehenden Terminus in seinem ‚Bericht zur Klassifizierung der Maler aus alter Zeit'... Qiyun ist der erste seiner ‚Sechs Grundsätze', die ein guter Künstler und ein gutes Kunstwerk zu erfüllen haben. Mangelt es einem Kunstwerk an der Harmonie des ‚qiyun', dann ist es ‚krank'. Auf der anderen Seite wird ein Kunstwerk von höchster Qualität und in gutem Erhaltungszustand mit physischer Gesundheit gleichgesetzt. Die Anleihen aus der Sprache der Ärzte liegen auf der Hand..." (Helmut Brinker). Die Darstellung konzentriert sich auf die klassischen Künste der Gebildeten, die Schriftkunst, die Malerei und auf neue charakteristische Fundkomplexe vom späten Neolithikum (ca. 4000 - 2000 v.Chr.) bis zur Tang-Dynastie (618 - 906). Ein eigenes Kapitel ist der Terrakotta-Armee des Qin Shihuangdi in Lintong, Shaanxi (ca. 220 - 210 v.Chr.) gewidmet, die durch die spektakuläre Performance des Stuttgarter Künstlers Pablo Wendel durch die Weltpresse gegangen ist: Wendel hatte sich in einen täuschend echt aussehenden Terrakotta-Krieger verwandelt und neben die historischen Figuren gestellt. Es dauerte einige Zeit bis man ihn entdeckt und dann gewaltsam aus der Reihe der Krieger entfernt hat.
(ham)