Publikation zur Ausstellung in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden vom 12.2. bis 22.5.2011.Hrsg. Karola Kraus und Cora von Pape. Mit einer Darstellung des Gesamtwerks von Daniel Buren durch Doris Krystof, 216 Seiten, durchgehend farbig illustriert, gebunden, 22x27cm, € 29,80, Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, ISBN978-3-86560-960-1
8,7 cm breit sind die Streifen, mit denen Daniel Buren die Räume verändert, in denen er sich bewegen darf. Farbstreifen an die Wand gemalt, Farbbahnen auf alle möglichen Elemente gelegt - auf Stoff, auf Holz, auf Glas , auf Wasser, auf Schnee. In unglaublicher Vielfalt hat er dieses Gestaltungselement eingesetzt, seit etwa 1968. Es ist nicht das einzige Mittel, über das er verfügt, aber es ist etwas wie sein Markenzeichen, das immer wieder auftaucht.
In Baden-Baden hat Daniel Buren die ganze Kunsthalle zur Verfügung gehabt, um darin „herum-zu-Streifen". Und er hat die Besucher mit seinen Ideen verzaubert und ihnen neue Augen gemacht: Da betritt man den großen zentralen Raum mit der Stuckleiste unter der Decke, die Tageslicht hereinlässt durch quadratisch gegliederte Oberlichtfenster. Und da sind diese Quadrate in lila und dann in blau heruntergerutscht an den Wänden - und durch eine Spiegelwand verdoppelt. Dabei spaltet diese Wand den großen Raum und eine zweite noch mal - in drei Teile. Das zweite Drittel ist in orange und gelb gehalten und das dritte in hellem und dunklem Grün. Und durch die Türen und durch die Spiegelwände gewinnt der Raum eine vielfache Größe mit Ausblicken in alle angrenzenden Räume.
Die Streifen (grau-weiß) tauchen bisher nur in den Türlaibungen auf.
Den zweiten Raum hat Buren durch zwei in der Mitte sich schneidende Spiegelwände - mit einem Durchgang für Menschen und Blicke am Schnittpunkt - zu einem eigenen Farbwunder gemacht: Denn die Wände in Violett,Grün, Blau, Orange, Rot, Gelb kreuzen sich in den Spiegeln und versetzen den Flaneur in eine Art Farb-Labyrinth, in dem er selber ja auch durch die Spiegel immer wieder mitzusehen ist.
Im dritten Raum ist das Oberlicht, gegliedert in Rechtecke, an die Wand gestellt - in gleicher Größe, aber die Glasfelder in sieben Farbreihen aufgefächert und von hinten beleuchtet.
Dann geraten wir in einen ganz weißen Raum, den wir durch einen Vorhang aus schwarzen und weißen Streifen (8,7 cm) verlassen, um einen total schwarz getünchten Raum zu betreten.
Dahinter, der kleinste Raum, der zum größten wird durch Spiegel auf beiden Seiten, die einen endlosen Gang in weiß-grün bzw. weiß-gelb suggerieren - und den Betrachter in endloser Wiederholung. Der große Mittelraum ist diagonal durchschnitten von einem Spiegel vom Boden bis zur Decke, der die grün bzw rot beklebten Oberlichtfenster widergibt, ein Bild, um in der Höhe zu ertrinken.
All das ist inzwischen wieder verschwunden - es sind sogenannte „Arbeiten in situ", wie das meiste, was Buren gemacht hat. Aber in zwei Räumen gibt es wiederverwendbare Stücke: Einmal die Klappwand, die, geschlossen, weiß auf weißer Wand, nur durch Zeichnung der Ränder sichtbar ist, und, ganz aufgeklappt, ein Muster aus rein blauen und weiß-gold gestreiften Quadraten darstellt. Da jeder Besucher mit den Klappen spielen darf, bietet sich ein ständig wechselndes Bild.
Das zweite variabel anzubringende Stück sind zwei „lichtoptische" Tücher mit den bekannten Streifen in zarten grünen bzw zarten roten Farben.
Aber dazwischen wohnen noch einmal die verwirrenden Farbwände mit einem Kubus in der Mitte, auf zwei Seiten ganz verspiegelt, auf den anderen beiden in weiß-spiegel gestreift. Es gibt unglaubliche Farbspiele und den Betrachter als gestreiftes Wesen in allen möglichen Farben. Ich verlasse den Raum im Rausch.
Buren hat außerdem das Kunsthallen-Café „vergrößert", indem er nicht nur die Fenster mit Farbfeldern beklebt, sondern auch hier Spiegel eingezogen hat. (Man darf gespannt sein, wie lange diese Fassung des Cafés Bestand hat).
Sagen wir noch, dass überall in der Stadt Baden-Baden während der Ausstellung rot-weiß gestreifte Fahnen aufgehängt waren, so ist mindestens alles erwähnt, was die Ausstellung ausgemacht hat.
Der Katalog versucht natürlich, Burens Installationen fotografisch ordentlich zu dokumentieren - was ja nur begrenzt gelingen kann: Man muss so eine ideelle Welt erwandern und dabei erleben! Dafür hat die Herausgeberin auf 180 Seiten frühere Arbeiten von Buren aus aller Welt dokumentiert und beschrieben, die viel von der Arbeitsweise Burens erzählen - und dann auch ein wenig nachvollziehen lassen, was er da in der Kunsthalle angerichtet hat. Es ist ein aufregende Dokumentation geworden, und es lohnt sich, sie zu betrachten.
(Hans-Ulrich Carl)