Gianfranco Malafarina
Mit einer Einführung von Chiara Frugoni und Aufnahmen von Elio Ciol, Stefano Ciol und Ghigo Roli
Hirmer Verlag, München, 2011, ISBN 978-3-7774-3661-6, 324 S., ca. 300 Farbfotografien, darunter zahlreiche zum Teil auf Spezialpapier gedruckte Details, Hardcover gebunden mit Leinenrücken, Format 30,3 x 30,3 cm, € 49,90
Der opulente Band setzt mit der Frage ein, warum in Giottos Freskenzyklus im Langhaus der Oberkirche von San Francesco in Assisi die in den frühen Franziskus-Biographien überlieferten Heilungswunder fehlen. Franziskus war am 3. Oktober 1226 verstorben und zunächst in der Kirche S. Giorgio beigesetzt worden, die an der Stelle der heutigen Basilika S. Chiara stand. Bei der ähnlich raschen Heiligsprechung wie bei Johannes Paul II. am 16. Juli 1228 hat Papst Gregor IX. davon berichtet, dass am Tag des Begräbnisses ein Mädchen von seinem verkrümmten Hals geheilt worden ist und sich nach seinem Tod noch zahlreiche weitere Wunder ereignet hatten. In ersten Bildern vom Leben des Franziskus tauchen diese Wunder auf, im Fresken-Zyklus von Giotto und in der 1263 vollendeten Franziskus-Biografie von Bonaventura da Bagnoregio werden sie nur flüchtig erwähnt bzw. gänzlich ausgelassen. Diese letzte offizielle Vita des Heiligen ist zur Textgrundlage des Giotto-Zyklus und zur über Jahrhunderte gültigen einzigen Biografie des Franziskus geworden. Erst im 18. und 19. Jahrhundert hat man weitere frühere Franziskus-Biografien entdeckt: 1266 hatte das Generalkapitel der Mönche „in Paris einstimmig mit Bonaventura die Vernichtung aller Vorgängerbiografien beschlossen. Ziel dieser Maßnahme war es, ...den in zwei Lager gespaltenen Orden wieder zu befrieden. Der eine Flügel verlangte das strikte Befolgen der Franziskusregel, der andere hingegen sprach sich für einen gemäßigteren Kurs aus, vor allem in Bezug auf die Armutsfrage und das Verbot jedweden Besitzes sowohl für den Einzelnen wie auch die Gemeinschaft" (Chiara Frugoni). Bei der Überführung der Gebeine des Franziskus in seine neue Grabesstätte in S. Francesco am 25. Mai 1230 berichtet Bonaventura dann nur noch von der Heilung des Bruders Jakob von Iseo von einem schweren Bruch. Aber das Ausbleiben weiterer Wunder an der neuen Grabesstätte scheint den weiteren Bau der Kirche doch so stark gefährdet zu haben, dass man sich gefragt hat, „in welchem Maße und für welche Art von ‚Heiligkeit'... der Ordensgründer nach dem Willen der Franziskaner verehrt werden und welches Bild" die Fresken von Assisi propagieren sollten. „Dargestellt wird ein sanfter Heiliger, im Frieden mit der Welt und den Lebewesen, der sogar zu den Vögeln sprechen konnte; ein unvergleichlicher Heiliger, dessen Fleisch durch die Wundmale Christi vergöttlicht wurde" (Chiara Furgoni). Nach der Weihe der Grabeskirche des Hl. Franziskus im Jahr 1253 wird sie in einem Zeitraum von rund 70 Jahren durch Cimabue, Giotto und seine Schule, Pietro Lorenzetti und Simone Martini vollständig mit Fresken ausgemalt. Der vorliegende Band dokumentiert die Zyklen und skizziert ihre biografischen und biblischen Hintergründe. Dazu kommen die Hauptzüge der Baugeschichte von S. Francesco in Assisi und eine systematische Bilddokumentation zu den Themen Franziskus, Ornamente, Tiere, Engel, Architektur und Natur. Dass ein Großteil der Fresken trotz der schweren Schäden nach dem Erdbeben zwischen Ende September und Anfang Oktober 1997 gerettet werden und die Oberkirche am 28. November 1999 wieder geöffnet werden konnte, grenzt an ein weiteres Wunder.
(ham)