Publikation zur gleichnamigen Ausstellung vom 27.03. - 24.07.2011 im Institut Mathildenhöhe
Hrsg. von Ralf Beil und Antje Ehmann mit Texten unter anderem von Etel Adnan, Judith Butler, Okwui Enwezor, Friedrich Kittler, Peter Sloterdijk, Susan Sontag, Paul Virilio, Norbert Wiener und Lambert Wiesing
Institut Mathildenhöhe Darmstadt/Hatje Cantz Verlag, Ostfildern, 2011, ISBN 978-3-7757-2991-8, 208 S., zahlreiche s/w- und Farbabbildungen, Hardcover gebunden, Format 24,5 x 17,5 cm, € 25,-- (Museumsausgabe)/29,80 (Buchhandelsausgabe)
Gaius Julius Cäsar hat sich mit seiner knappen und zugleich formvollendeten Beschreibung des gallischen Krieges ‚De bello Gallico' über zwei Jahrtausende in Erinnerung gehalten. 500 Jahre später wird in der „Geschichte der südlichen Qi-Dynastie" (Nan Qi Shu) erstmals auf die 36 Kriegs-, Lebens- und Überlebenslisten, die Strategeme des 436 n. Chr. verstorbenen chinesischen Generals Tan Daoji hingewiesen. Die südliche Qi-Dynastie herrschte von 479 - 502. Noch einmal rund tausend Jahre später wird Leonardo da Vinci unter anderem mit Konzepten zu Befestigungsanlagen und Traktaten zu Flug-, Verteidigungs- und Angriffswaffen bekannt. 1942 wird die Kriegsberichterstattung durch die rund 100 Jahre vorher erfundene Fotografie erneut revolutioniert: Erstmals begleitet eine Kamera den Übungsanflug einer HS 293 D, einer deutschen Gleitbombe der Henschel Flugzeugwerke in Berlin „auf ein Schiffswrack in der Nähe von Peenemünde. Die Bilder werden mittels eines Senders zu einem Begleitflugzeug übertragen, welches das Projektil abgefeuert hatte und dann abdrehte. Vom Flugzeug aus wurde die Waffe mit einem Steuerknüppel, der dem später allgemein als Computereingabegerät gebräuchlichen Joystick ähnelte, ins Ziel gelenkt". Im Krieg einer Allianz unter der Führung der USA gegen den Irak, der Kuwait überfallen und besetzt hatte, wird diese Technik perfektioniert. „Dieser Krieg präsentierte sich in neuen Bildern. Zu sehen war beispielsweise der Ausschnitt eines Geländes, aufgenommen von einer Kamera in einem Hubschrauber, einem Flugzeug oder einer Drohne ... Das Zentrum des Bildes markierte das Fadenkreuz, auf das ein Projektil zustrebte. Die Detonation überbeanspruchte den gegebenen Kontrastumfang, während die automatische Blende vergeblich gegensteuerte - das Bild riss ab.... Mit dieser Kamera stürzten wir uns als Zuschauer buchstäblich ins Ziel. Es war, als habe man einen Relaunch des Krieges vor ... Kriegsführung und Kriegsberichterstattung fielen jetzt in eins. Zusammen mit diesen Bildern lancierte man den Terminus ‚Intelligente Waffen'. Für kurze Zeit war der Eindruck erweckt, dieser Krieg werde mit Waffen geführt, die ein vorgegebenes Ziel selbst erkennen, ein bewegliches Ziel selbständig verfolgen könnten" (Antje Ehmann und Harun Farocki).
Die Soldaten und Opfer bleiben unsichtbar. Der Krieg selber und die verantwortlichen Politiker werden zum medialen Ereignis. Karl-Theodor zu Guttenberg hat dieses Ereignis in seiner kurzen Zeit als Verteidigungsminister ausgiebig inszeniert und ist unter anderem durch Ablichtungen an Bord eines Militärflugzeuges auf dem Weg nach Afghanistan und beim Besuch eines Außenpostens der Bundeswehr nahe Kundus von heute auf morgen zur zeitweiligen Lichtgestalt der deutschen Politik aufgestiegen. „Wenn Militär-, Politik-, Wirtschafts- und Medienmaschinerie Kriege gleichzeitig verharmlosen und inhumaner machen, wenn der Krieg mehr und mehr medial verbrämt und idealisiert wird, tritt das Paradox ein, dass der ästhetische Raum des Museums zum Ort gesamtgesellschaftlicher Aufklärung wird ... ‚Serious Games. Krieg - Medien - Kunst' untersucht neben dem Einsatz immer neuen Medien zu Kriegszwecken die permanente Umwandlung von Kriegsbildern zu Unterhaltungsbildern und damit die Militarisierung der Imagination. Es geht darum, welche Bilder der Krieg erzeugt - und wie diese in der Kunst der Gegenwart aufgegriffen und gespiegelt werden. Beantwortet wird diese Frage von einem offenen Parcours von 23 aktuellen Künstlerpositionen - Fotografien, Videos, Computerspiele, Bildteppiche, Gemälde und Rauminstallationen ... Anlass der Ausstellung ... ist die Verleihung des Wilhelm-Loth-Preises 2009 an Harun Farocki" (Ralf Beil). Gezeigt werden Arbeiten unter anderem von Peggy Ahwesh, Oliver van den Berg, Jean-Luc Godard, Ingo Günther, Richard Hamilton, Martha Rosler und dem Preisträger. Letzte Antworten werden vermieden. „Sicheres Wissen kann es nicht geben. Besser also, Vorhandenes montieren, als eine Deutung zu versuchen...: Eine Text-Montage zum Themenkomplex Krieg - Medien - Kunst" (Antja Ehmann und Harun Farocki)
(ham)