Belser Verlag, Stuttgart 2010
ISBN 978-3-7630-2572-5, 144 Seiten, 60 Farbabbildungen, deutsch, Hardcover gebunden, Format 22,7 x 17,5 cm, EUR 22,95
Lange habe er den geheimen Reiz, der von manchen Werken ausgeht, nicht verstanden, bis ihm klar wurde, dass er noch bewegt war von den seelischen Wunden vieler Patienten.
Hinter diesem Bekenntnis von Tilmann Moser kann man den Anlass zur Verwirklichung dieses sehr ansprechend gestalteten Buches vermuten.
In ihm hat der bekannte Psychoanalytiker 20 Werke der Malerei einer Analyse unterzogen.
Unter den ausgewählten Bildern befinden sich dabei so faszinierende Werke, wie „Die Begegnung" von Edgar Ende, „Mädchen und drei Männerköpfe" von Edvard Munch oder „Die Übungen der Akrobatin" von René Magritte.
Tilmann Moser thematisiert in dem Buch seelische Befindlichkeiten oder Störungen (z.B. Zerrissene Ganzheit, Angst vor Missbrauch) sowie individuelle Entwicklungsphasen (Pubertät und Ablösung, Aufbruch eines jungen Mannes).
Wenn ein so renommierter Psychoanalytiker wie Tilmann Moser Bilder interpretiert, dann ist die Erwartungshaltung des Lesers recht hoch. Er möchte etwas über seine oder der Anderen Seele erfahren. Wird diese Hoffnung erfüllt?
Zunächst einmal kann festgehalten werden, dass sich das Buch eher an den interessierten Laien wendet. Die recht kurze Einführung in die „Psychoanalyse und Malerei" und die auch sonst knappen Erläuterungen zu seelischen Vorgängen, die in der Regel ohne weiterführende Literaturhinweise erfolgen, würden den Ansprüchen des Fachpublikums nur bedingt gerecht.
Dazu passt auch, dass Tilmann Moser sich nur einmal zu möglichen Therapieformen äußert und auch die Gefahr der erotischen Versuchung des Therapeuten nur am Beispiel des Bildes „Der keusche Joseph" von Max Ernst thematisiert.
Der Leser schaut hier vielmehr dem Therapeuten bei seinen sehr persönlichen
Deutungen über die Schulter. Diese Deutungen spiegeln seine eigene (therapeutische) Erfahrung mit den behandelten Themen wider und haben deshalb vermutlich auch unterschiedliche Tiefenqualität. Dem Buch schadet dies jedoch nicht. Im Gegenteil. Es macht jede Analyse für den Leser aufs Neue spannend und im voraus „unberechenbar".
Dass dabei auch manche „kühne" Interpretation zustande kommt, wie er selber eingesteht, passt zum Gesamtbild des Buchs.
Zwar erzählen nicht alle Deutungen dem kundigen Publikum etwas neues, wer sich aber an Tilmann Mosers ausgeprägtem Hang zur Suche nach sexueller Symbolik in den Bildern nicht stört, dessen Blick wird grundsätzlich geschärft und dessen Interpretationsvermögen bekommt einige spannende Impulse.
(Thomas Moser)