Jeff Koons
Hsrg. von Hans Werner Holzwarth mit Essays von Katy Siegel, Ingrid Sischy, Eckhard Schneider und einem Statement von Jeff Koons
Taschen, Köln, 2009, ISBN 978-3-8365-0328-0, 592 S., zahlr. Farbabbildungen, Hardcover gebunden mit Schutzumschlag, Format 34,5 x 25,5 cm, € 49,99
Jeff Koons
Celebration
Publikation zur gleichnamigen Ausstellung vom 31.08.2008 – 08.02.2009 in der Neuen Nationalgalerie Berlin
Hrsg. von Anette Hüsch mit einem Gedicht von Reinald Goetz, einem Gespräch zwischen Peter-Klaus Schuster und dem Künstler und einem Text von Anette Hüsch
Hatje Cantz Verlag, Ostfildern / Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz, 2008, ISBN 978-3-7757-2311-4 (Museumsausgabe), 120 S., 57 Farbabbildungen, Hardcover gebunden mit Schutzumschlag, Format 30,1 x 25,3 cm, € 29,80 / SFR 52,--
In den Achtziger Jahren bin ich auf dem Kölner Kunstmarkt erstmals einer Auswahl von Jeff Koons Hoover-Staubsaugern begegnet. Die Readymades aus Koons’ Serie ‚The New’ wurden in Acrylkästen über blendend weißen Neonröhren präsentiert. Sie haben mich eigenartig berührt und ein ums andere Mal um den Stand gehen lassen. Ich habe mich gefragt, was an diesen fabrikneuen Geräten so anziehend sein kann, dass ich drei, vier, ja fünf Mal zur Galerie zurückkehren und mit meiner Frau eine Diskussion darüber anfangen musste, ob es unsere Haushaltslage zulässt, eine der Arbeiten zu kaufen. Aus heutiger Sicht war es ein Fehler, die Arbeit nicht zu kaufen.
Als die Staatsgalerie Stuttgart Jeff Koons 1993 eine Museumsausstellung widmete und dort neben den Staubsaugern und Arbeiten aus der ‚Made in Heaven’-Serie auch Basketbälle in Aquarien aus Koons’ ‚Exqulibrium’-Serie präsentierte, hat sich mir weder der ästhetische Mehrwert noch der philosophische Tiefsinn dieser anderen Serien erschlossen. Die ‚Made in Heaven’-Serie hielt ich für eine gekonnte Spekulation mit der Schaulust des Publikums. Die Aussage, dass Koons mit der italienischen Pornodarstellerin Cicciolina ein Readymade aus Fleisch und Blut gefunden habe, wirkte auf mich zynisch und die Basketbälle banal. Nach der gründlichen Lektüre des Taschen-Prachtbands ‚ Jeff Koons’ und von ‚Celebration’ neige ich dazu, Abbitte zu tun. Ich beginne Koons zu glauben, was er sagt: „My work is a support system for people to feel good about themselves“ (Jeff Koons). Koons Arbeiten aus seinen bisher 15 vorgelegten Werkserien von den ‚Inflatables’ über ‚Luxury and Degradation’, ‚Puppy’, ‚Easyfun-Ethereal’ und ‚Hulk Elvis’ strahlen aus, was er schon für seine ersten Aufblasfiguren versprochen hat: Menschlichkeit. „Ich mochte aufblasbare Figuren immer schon, weil sie mich an uns selbst erinnern. Wir füllen uns beim Einatmen mit Luft, und darin scheint eine gewisse Verbindlichkeit zu liegen. Doch dann ist es auch wieder unverbindlich, denn wir atmen ja gleich wieder aus“ (Jeff Koons).
Für Ingrid Sischy spricht aus dieser hybrid-philosophisch-psychosexuell-biologisch-soziologischen Betrachtungsweise der klassische Koons. Der Betrachter nimmt ihm diese Betrachtungsweise ab. Selbst die am 23. Mai 2006 vor dem ersten wieder aufgebauten Wolkenkratzer am Rande des Kraters vom 11. September 2001 aufgestellte tiefrote Edelstahlskulptur ‚Balloon Flower’ strahlt etwas Positives aus. Man spürt an der Skulptur, dass er mit seiner Kunst das Beste versucht und Bilder in die Welt bringen will, die an die Bilder von Archetypen heranreichen: „Jeden Tag, wenn ich an die Arbeit gehe, setze ich mich mit der Angst auseinander. Nicht genau zu wissen, was bei einer Sache herauskommt, das ist in der Kunst immer so. Als Künstler überwinde ich diese Angst jeden Tag. Ich versuche mich ihr zu stellen. Ich sage mir: ‚Okay, Jeff, das ist jetzt deine Gelegenheit, etwas zu schaffen. Was willst du tun? Gut, dann tu es. Jetzt ist dein Moment gekommen. Wenn du es jetzt nicht machst, machst du es vielleicht nie, und irgendwann drehst du dich im Grab um und denkst immer nur: Warum habe ich es nicht gemacht, es wäre doch so einfach gewesen.’ Ich glaube, wenn man im Sterben liegt, wird einem schlagartig deutlich, wie einfach und unkompliziert alles im Grunde war, dass nur wir selbst durch unsere Verunsicherung alles kompliziert haben.“ (Jeff Koons).
Konsequenterweise spricht er bei der Vorstellung seiner Celebration-Serie davon, dass auch seine Balloon Dogs, Cracked Eggs und Balloon Flowers für ihn mit dem letzten Stoßseufzer auf dem Sterbebett zu tun haben. Man sucht den Bogen und ist im ersten Moment geneigt, mit Jörg Heiser zu fragen, ob das nicht doch der durchsichtige Versuch ist, „dem brillanten Glanz der Oberfläche rhetorisch metaphysische Tiefe zuzufächeln“ (Jörg Heiser in: Süddeutsche Zeitung Nr. 254 vom 31.10./1./2.11.2008, S. 16). Aber dann nimmt man Koons ab, dass es ihm um „die befreiendste Geste“ geht, „die Kunst zu bieten hat…eine Geste des Augenblicks…, die dann exakt das ist, was man machen möchte… Es ist fast, als tue man den letzten Atemzug im Leben, und ganz plötzlich wird die Einfachheit aller Dinge enthüllt…“ (Jeff Koons).
(ham)