Künstlerbuch zur gleichnamigen Ausstellung vom 05.11.2010 - 27.02.2011 im Kunstmuseum Bern
Hrsg. vom Kunstmuseum Bern mit Texten von Kathleen Bühler, Matthias Frehner und einem Gespräch zwischen Kathleen Bühler und Yves Netzhammer
Kunstmuseum Bern/Verlag für moderne Kunst Nürnberg, 2010, ISBN 978-3-86984-158-8, 136 S., zahlreiche s/w- und Farbabbildungen, Leinen gebunden, Format 24,1 x 18 cm, SFR 38,--
Yves Netzhammer, 1970 in Schaffhausen geboren, ist unter anderem durch seine Ausstellungen ‚Die Verschiebung der Sollbruchstelle eines im optimalen Verhältnis aufgewachsenen Astes' im Württembergischen Kunstverein (2003), ‚Die Subjektivierung der Wiederholung, Projekt B' in der Karlskirche in Kassel (2007) und ‚Die Subjektivierung der Wiederholung, Projekt A' im Schweizer Pavillon der Biennale Venedig (2007) aufgefallen. Seine für die kirchliche Begleitausstellung zur documenta 12 in Kassel raumfüllend angelegte Arbeit in der Karlskirche hat die Besucher überwältigt und durch ihre Erzählung von der Verwandlung der Zeichen, der Dinge und der Räume ohne wirklichen Anfang und ohne wirkliches Ende in den Strudel einer künstlichen Welt hineingezogen, aus der sie nur mit Mühe herausgekommen sind. Netzhammers Figuren haben keine Gesichter. Sie zeigen keine Gefühle und sie schockieren doch, wenn sie Tiere schlagen, verstümmeln oder schlachten. Netzhammers visionäre Welt spielt eine kalte Welt ohne Scham und Gewissheit an, in der buchstäblich alles möglich ist. „Die Figuren sind zwar stilisiert, dennoch sind sie Stellvertreter, welche mentale und körperliche Zustände vorführen und in Verbindung zu mir stehen. Auf einer fiktiven Ebene reichern sie meinen Erfahrungsschatz an, Denn es ist erstaunlich, wie stark selbst fiktionale Erfahrungen das eigene Denken beeinflussen und ergänzen. In gewissem Sinne gehört es zu meinem persönlichen Selbstversuch, dass ich mich als Person über meine Arbeit in etwas Neues hineinverwandle. Ich pendle zwischen den Phantomschmerzen im Bild und tatsächlichen" (Yves Netzhammer). Spezielle Computerprogramme helfen, erste Gedanken festzuhalten, Reinzeichnungen zu erstellen, die Einzelbilder in animierte Filme zu überführen und diese dann wiederum in neue Bilder und Handlungen zu transformieren. Der Computer ist aber nur ein Arbeitsgerät unter vielen. Für seine Installationen und Objekte baut Netzhammer Modelle und nutzt dazu Malutensilien, bearbeitet Holz und Stoff und modelliert auch mit PU-Schaumstoff. Für Matthias Frehner geht es Netzhammer in seinen anonymen, kalten, künstlichen Welten „um Existenzauslotung. Wir sehen unbeeinflussbare Kräfte walten, Wille ist nichts, es geschieht einfach. Vorhersehbarkeit ist kein Thema, die Handelnden sind Spielbälle, die Welt ein Labyrinth. Aber wer zieht die Marionettenfäden? Archetypische Situationen klingen an wie in Grimms Märchen. Netzhammers Kunst verweigert sich... einer Aufschlüsselung. Sie bleibt einzigartig, geheimnisvoll. Er ist ein Hieronymus Bosch in einer Welt ohne Gott" (Matthias Frehner). Die Stiftung GegenwART hat 2009 Netzhammers Installation ‚Die Subjektivierung der Wiederholung. Projekt B' für die Kasseler Karlskirche erworben und damit den Grundstein für eine vertiefte Auseinandersetzung gelegt. Das zur Berner Ausstellung vorgelegte Künstlerbuch führt prospektiv in diese ein. Ein Glossar zu Stichworten wie Berührung, Bild, Erzählung, Gewalt, Körper, Tiere und Wiederholung erlaubt den Blick unter die mediale Oberfläche und schlüsselt das Werk weiter auf.
(ham)