Monographie aus Anlass der gleichnamigen Ausstellung vom 28.11.2010 - 06.02.2011 im Museum der bildenden Künste Leipzig
Hrsg. von Richard Hüttel mit Texten von Heiko Damm, Richard Hüttel, Wolf-Dietrich Löhr und Reimut Reiche
Museum der bildenden Künste Leipzig/Hirmer Verlag, München, 2010, ISBN 978-3-7774-3361-5, 224 S., zahlreiche s/w- und Farbabbildungen, Abbildungs- und Werkverzeichnis, Leinen gebunden mit Schutzumschlag, Format 30,5 x 24,7 cm, € 29,90 (Museumsausgabe)
Der 1968 in Erfurt geborene Ulrich Huchalla-Schüler hat im Umfeld von Kunst und Kirche nicht erst durch sein Papst-Porträt Furore gemacht, das im Institut Papst Benedikt XVI. in Regensburg seinen Platz finden wird. Michael Triegels in der Leipziger Ausstellung vorgestellten Porträtstudien von Papst Benedikt XVI. stehen in einer Reihe von Papst-Porträts von Raffael (Bildnis Papst Julius II., 1511) bis Christian Schad (Bildnis Papst Pius XI., 1924/25). Sie treffen wohl auch die Erwartung des deutschen Papstes („Sie sind also mein Raffael!") und entsprechen dem Selbstverständnis des Künstlers („Die Kirche hat sich schon immer die Besten gesucht"). Voraus liegen unter anderem Triegels Predella für den Altar der evangelischen Kapelle zu Langreder ‚Gesetz und Gnade', 2004, sein Altar für die evangelische Kirche von Grave mit Darstellungen des Jüngsten Gerichts, der Taufe Christi, der Anbetung des Kindes und des Abendmahls, 2005/2006 und sein Altar für die römisch-katholische Pfarrgemeinde St. Laurentius in Ebern, 2006/7. Dazu kommen Gruppen- und Einzelausstellungen im Museum am Dom Würzburg (2002 g/2008 E), in St. Matthäus, Berlin (2003 E/2007 G), Porträts unter anderem von der Äbtissin des Klosters St. Marien zu Helfta, Selbstporträts und das Porträt des Bischofs von Regensburg. Triegels stupendes malerisches Können und seine sonst selten erreichte vorzügliche Beherrschung altmeisterlichen Techniken ist vielfach beschrieben worden. Sie steht außer Frage. Aber in unserem Zusammenhang ist der Hinweis wichtiger, dass Triegel seine Malereien als Ausdruck einer „Sehnsucht nach dem Wunderbaren" begreift, da es „unmöglich geworden ist, die Welt allein mit Rationalität zu verstehen" (Michael Triegel). Obwohl er keiner christlichen Religionsgemeinschaft angehört, betont er, dass es die „edelste Aufgabe der Kunst" sei, einen Altar zu malen (Michael Triegel). Dass Triegels Malereien in der Tradition der christlichen Ikonographie durch ihre Zusammenfügung emblematische und allegorische Elemente zu Collagen werden, hat Reimut Reiche zu Recht notiert. Das führt zur Frage, ob Triegels Malereien als selbstreferenzieller Diskurs innerhalb des Kunstsystems zu verstehen sind oder ob sie auch noch als existentielle Aussagen und als Auslegungen ikonographischer Hauptstücke gelten können, als Malerei im Sinne der Repräsentation. Reiche geht mit vielen anderen davon aus, dass es heute keine christliche Kunst im überkommenen Sinn mehr gibt. Der Versuch, zwischen funktional definierter angewandter Kirchenkunst und Kunst zu unterscheiden, führt in Schwierigkeiten, weil man unter anderem auch Gerhard Richters Glasfenster für den Kölner Dom zur Kirchenkunst erklären müsste. Michael Triegels ‚Abendmahl' fiele dagegen aus dieser Einschließung heraus, weil es die für das Abendmahl konstitutive communio im Bild verweigert, dafür aber Ersatzstücke wie einen schwarzen Vorhang und an einem Seil aufgefädelte Früchte in das Bild integriert. Reiche lässt seine Ausgangsfrage hinter sich und beantwortet sie auf einer anderen Ebene. Für Triegel seien die klassischen Themen, etwa die des Abendmahls, zum Ausgangspunkt einer eigenen Bilderzählung geworden. Triegel bleibt auf seinem ‚Abendmahl' von 1994 mit seinem Namen auf dem Zettel vor dem Altar präsent. Zum Altar selber dringt er nicht vor. Für Reiche bleibt er damit im Modus des Alleinseins auf der Suche nach Gemeinschaft. Damit hält er die Spannung von Selbstreferenz und Repräsentation aufrecht. „Man würde diesem Bild nicht gerecht, wenn man darin nur eine Ansammlung von Zitaten der ‚zerfallenen' christlichen Thematik sehen würde - sei es im Modus der Agonie, der Provokation oder der Blasphemie. Er sucht vielmehr die Gemeinschaft in einem radikalisierten Modus des Alleinseins, vielleicht sogar des Verlassenseins" (Reimut Reiche). Wie auch immer, mich überzeugt Reiches Überlegung nicht. Mir scheint, dass Triegel mit seinen „religiösen" Collagen dem von Thomas Luckmann beschriebenen Zwang zur Häresie unterliegt.
(ham)