Eine theologische Auseinandersetzung mit Patricks Roths Poetologie und seiner Christusnovelle ‚Riverside'
Verlag Königshausen [&] Neumann, Würzburg, 2010, ISBN 978-3-8260-4337-6, 256 S., Broschur mit Fadenheftung, Format 53,5 x 15,5 cm, € 34,--
Die vorliegende Studie diskutiert Patrick Roths Verständnis von Auferstehung im Spannungsfeld von Literaturwissenschaft und Theologie. Sie versucht, Roths Poetologie für ein neues Verstehen von ‚Auferstehung' fruchtbar zu machen. Für Patrick Roth ist Schreiben „Totensuche. Im Autor, im Leser, wenn er zur Mitsuche verführt wird, wenn der Mut des Autors im Geist des Erzählers auf ihn übergeht. Schreiben ist Totenerweckung im Leser, im Autor" (Patrick Roth). Roths literarisches Erstlingswerk ‚Riverside' (1991) geht 1998 mit zwei weiteren Werken ‚Johnny Shines oder die Wiedererweckung der Toten' (1993) und ‚Corpus Christi' (1996) in die Christus-Triologie ‚Resurrection' ein. Die Trilogie verdankt sich einem Traum. „Eines Tages hatte ich einen Traum... der mein Leben veränderte, weil er mächtiger, weil er ungeheuerlicher, weil er wirklicher war als die Wirklichkeit, als alles, was ich bis dahin erlebt hatte. Vielleicht ist diese Riverside-Trilogie, an der ich 89 zu schreiben begann, nichts anderes als der Versuch - Versuch! - mich einigen Augenblicken jener Traumerfahrung wieder zu nähern, sie in Umrissen zumindest mit literarischen Mitteln, erzählend, wieder herzustellen... Ziel jedenfalls wurde mir, die Angst und das Grauen, aber auch die alles entgrenzende Euphorie, die Gottesbegeisterung, die ich beim Sehen jener Bilder erfuhr, auf den Seiten eines Buches so wieder zu beschwören, dass ... die Seite selbst zum Ort eines ähnlichen Erlebens für andere werden könnte" (Patrick Roth). Roths Christus-Trilogie kann in der Folge „als künstlerisch gestaltetes Zeugnis der Auseinandersetzung des Autors mit den Bildern und Symbolen seines eigenen persönlichen bzw. des ihm zugänglichen Teil des kollektiven Unterbewussten gelesen werden" (Felix Blaser). Roth hat seine ihn außerordentlich bewegende Traumerfahrung mit Hilfe C.G. Jungscher Annahmen zu verstehen versucht und mit Hilfe der aktiven Imagination literarisch aufgearbeitet. Blaser rekonstruiert diese Arbeit produktionsästhetisch. Nach seinem Resümee wird Auferstehung bei Roth im Anschluss an C.G. Jung vornehmlich als ein innerseelisches Phänomen begriffen: „'Resurrection' bedeutet demnach die auf dem Weg der Auseinandersetzung von Bewusstem und Unbewusstem sich ereignende Bewusstwerdung des Unbewussten, die seine klare Wahrnehmung und Formung sowie die sich dabei ergebenden Veränderungsprozesse einschließt und sich stets auch mit Blick auf andere vollzieht" (Felix Blaser).
Unter darstellungsästhetischen Gesichtspunkten wird die Auferstehung bei Roth zu einem leib- und christusbezogenen Geschehen. „Die Resurrection im Sinne eines ‚Ein-Verstehens' bedarf in ihrer letzten Konsequenz eines leibhaften Erfahrens und Erlebens... Durch ein sinnlich wahrnehmbares Ereignis wird der Andere gleichsam ‚inkorporiert'". Rezeptionästhetisch setzt Roth nach Blaser auf Irritation: Er führt den Leser in seiner Erzählung gleichsam an den Strom des Unterbewussten heran (Riverside) und ermutigt ihn, sich dem Unbewussten und dem Anderen zu überlassen. Womöglich wird er beim Lesen dieselbe Erfahrung wie der Autor machen, dem ihn völlig irritierenden Anderen im eigenen Unbewussten begegnen und dann auferstehen... Zwar erscheint Roths Verständnis im Vergleich mit den biblischen Auferstehungserfahrungen verengt. Aber es akzentuiert für Blaser doch eine Facette. Deshalb plädiert er für einen Brückenschlag, „der die irritationsfördernde Komoponente der Rede von Auferstehung bei Patrick Roth registriert und sie als solche in den theologischen Diskurs mit einzubringen versucht" und als Fremdprophetie wertet (Felix Blaser): „Alles steht uns noch einmal und immer wieder bevor; also: ‚Macht frei und bereitet einen Weg für den Herrn! 'Denn: Dieses Ihm -, dem Herrn-, -den-Weg-Bereiten, das schließt sich meiner Meinung nach nie ab, auch für die Nachwelt nicht, die schon alles für geschehen hält, für abgeschlossen, ja gar historisch" (Patrick Roth). Blaser folgt dieser Einschätzung und kommt zum Ergebnis, dass Riverside das Potential hat zumindest „Transzendenzgläubige" an die Frage der Bedeutsamkeit der Person Jesu von Nazareth heranzuführen. „Die christologische Konzentration der ‚Christusnovelle'... besitzt...das Potential durch die involvierende Darstellung einer Heilungsgeschichte den ‚Transzendenzgläubigen' über Verwirrung und Faszination dazu zu verleiten, sich erneut seiner Glaubenshaltung zu vergewissern" (Felix Blaser).
(ham)