Katalog zur Ausstellung ‚Angel Dust. Bogomir Ecker, Mark Wallinger und ein unbekannter Meister’ vom 20.02. – 13.04.2009 im MMK Museum für Moderne Kunst Zollamt
Hrsg. von Andreas Bee, MMK und Joachim Valentin, Haus am Dom Katholisches Kultur- und Begegnungszentrum
MMK Museum für Moderne Kunst, Frankfurt/Haus am Dom Katholisches Kultur- und Begegnungszentrum/Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, 2009, ISBN 978-3-86560-614-3, 64 S., 20 Farbabbildungen, Hardcover gebunden mit foliengeprägtem Umschlag, Lesebändchen und Banderole, Forrmat 19,5 x 14,7 cm, € 24,80/CHF 44,--
Die erste Kooperation zwischen den Frankfurter Nachbarn Museum für Moderne Kunst und dem Haus am Dom erweist sich als Glücksfall: Zwar ist die Ausstellung ‚Angel Dust’ nur mit der Verkündigungsszene eines unbekannten Meisters aus dem Ende des 15. Jahrhunderts, der Videoinstallation ‚Angel’ von Mark Wallinger, 1997, und der an roten Seilen aufgehängten, rot lackierten und mit Bohrungen versehenen Skulpturengruppe von Bogomir Ecker bestückt und wirkt eher wie das Exposé als die Fragestellung selber. Aber sie stellt immerhin die Frage nach dem Außeralltäglichen. Man nimmt den Kooperationspartnern ab, dass sie die Frage ernst nehmen. Joachim Valentin chiffriert das erfragte außeralltägliche Etwas mit der Formel, dass es ein Etwas ist, das sich selbst gibt und das sich im Mythos vom Fleisch gewordenen Gott ebenso spiegelt wie in jeder Fiktion, in den Märchen, in der Oper, im Theater, im Roman und natürlich auch in der Kunst. Mit Andreas Bee ist er sich einig, dass dieses Etwas auch als Erfahrung von exstatischer Glückseeligkeit beschrieben werden kann, als Wirkung von ‚Angel Dust’, von Engelsstaub. „In der allgemeinen Vorstellung verbinden wir mit dem Begriff Engelsstaub eine nicht näher geklärte Substanz. Wer davon etwas erwischt, erfährt ein Glück ohne Nebenwirkungen“ (Andreas Bee, Joachim Valentin). Hinter ‚Angel Dust’ versteckt sich aber auch die gleichnamige Partydroge, die Sehstörungen hervorrufen und die Grenzen von Traum, Realität und Zeit verschwimmen lassen kann. Die für Bee und Valentin spannende Frage ist, warum Menschen unter dem Einfluss bewusstseinsverändernder Substanzen häufig von den gleichen Ideen heimgesucht werden, von Vorstellungen, die man auch aus den großen Religionen kennt, so von der Vorstellung der mystischen Einheit mit Gott und dem Universum. In der Verkündigungsszene des unbekannten Meisters ist diese auch aus Visionen bekannte Einheit als Mysterium der Inkarnation chiffriert, als Befruchtung durch den Logos. In Mark Wallingers Videoinstallation als schwarzbebrillter blinder Engel. Dieser blinde Engel rezitiert den Anfang des Johannesevangeliums auf einer Londoner Metro-Rolltreppe rückwärts. Man hat den Eindruck, er versteht ihn kaum, auch wenn er jede einzelne Silbe betont: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort… In ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen. Das Licht scheint in der Finsternis und die Finsternis hats nicht ergriffen“. Für Thomas Wagner sind alle Arbeiten und auch Bogomir Eckers Skulpturengruppe auf Kommunikation angelegt. Letztere erinnert entfernt an abstrahierte Gliederpuppen oder an aufgehängte Kurbelwellen, in die man Löcher gebohrt hat. Möglicherweise unterscheidet sie sich von den beiden anderen Arbeiten dadurch, dass sie noch stärker auf eine Kommunikation setzt, die nicht passiv bleiben kann. Für Wagner ergibt sich daraus die Frage, ob die Ära bloß empfangender Offenbarungen ein für allemal zu Ende gegangen ist. Vielleicht wären Wagner und sein Gewährsmann Peter Sloterdijk im Gegenzug zu fragen, ob es die Ära „bloß empfangender Offenbarungen“ in der biblisch-christlichen Tradition je gegeben hat. Schon Maria hat auf die Ankündigung der Geburt eines Sohnes durch den Engel „Mir geschehe, wie Du gesagt hast“ (Lukas 1, 38) geantwortet. Petrus wird auf die Frage Jesu, was die Jünger glauben, wer er sei, antworten: „Du bist der Christus“ (Markus 8, 29). Und selbst Thomas, der nicht glauben kann, dass der Auferstandene den anderen Jüngern begegnet ist, antwortet „Mein Herr und mein Gott“ (Johannes 20, 28).
(ham)