Publikation zur gleichnamigen Ausstellung vom 16.04. – 22.08.2010 in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe
Hrsg. von Julian Heynen mit Texten von Holger Jacob-Friesen, Regine Heß, Pia Müller-Tamm und dem Herausgeber
Staatliche Kunsthalle Karlsruhe / Verlag für moderne Kunst Nürnberg, 2010, ISBN 978-3-925212-78-9, 152 S., zahlreiche s/w- und Farbabbildungen, Hardcover gebunden, Format 24,6 x 18,5 cm, € 24,-- (Museumsausgabe)
Gewöhnlich folgen Besucher in Museen spontanen Impulsen und bewegen sich frei. Sie suchen sich ihren eigenen Weg und finden den ihnen entsprechenden Rhythmus. In der durch Miroslaw Balka bespielten Mittelaltersammlung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe ist diese Freiheit während der Zeit der Ausstellung „Wir sehen Dich“ stark eingeschränkt. Balka war um einen Beitrag gebeten, der sich mit der hochrangigen Karlsruher Mittelaltersammlung auseinandersetzt. Er hat sich schließlich für einen begehbaren querrechteckigen Stahlkorridor mit einer Gesamtlänge von etwa 400 Metern entschieden, der die acht Säle der Mittelaltersammlung miteinander verbindet. Der Besucher sieht sich in einer 120 cm breiten und 240 cm hohen Skulptur durch Baustahlgitter von den Werken der Sammlung getrennt und erfährt den Abstand der Zeiten. Das Baustahlgitter unterbricht den gewohnten Blick. Es führt eindrücklich vor, dass Matthias Grünewald und der Meister der Karlsruher Passion in anderen Welten gelebt haben. Wer in diese Welten eintreten will, kann den Korridor verlassen. Ventilatoren in der Nähe der Öffnungen markieren den Übergang. Sie machen deutlich, dass der eigene Blick auf die altdeutsche Malerei mit in die Ausstellungssäle wandert. Der Ausstellungstitel „Wir sehen dich“, der sich einem Gedicht von Paul Celan verdankt, kehrt diesen Blick dialektisch um: Nicht nur der Besucher sieht die Bilder, die Bilder sehen auch ihn.
Mit Miroslaw Balkas Projekt beginnt eine Reihe von Dialogausstellungen Pia Müller-Tamms, in denen sich die neue Direktorin der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe mit Teilen der Sammlung auseinandersetzen will. Nach dem geglückten ersten Projekt freut man sich auf die nächsten.
(ham)