Katalog zur gleichnamigen Ausstellung des Kunstvereins KISS Kunst im Schloss Untergröningen vom 09.05. – 19.09.2010 aus Anlass des 10. Kunst- und Kultursommers 2010 im Schloss Untergröningen
Hrsg. von Otto Rothfuss und Margarete Rebmann
Kunst im Schloss Untergröningen, 2010, 76 S., zahlreiche s/w- und Farbabbildungen, Klappenbroschur, Format 24 x 15,9 cm, € 10,--
Weiß gilt als Farbe der Unschuld. Weiß ist das traditionelle Brautkleid. Schneeglöckchen sind es auch. „Die größten weißen Flächen der Welt bilden die Polargebiete. Die Antarktis als astronomische Zone umfasst 21,2 Millionen km², die physikalisch-geografische Region ist 52 Millionen km² groß. Der Südkontinent Antarktika ist mit fast 13,2 Millionen km² etwa 2,7 Millionen km² größer als Europa … Ein weißer Kontinent wie die Antarktis wird immer assoziiert werden … mit der Farbe weiß“ (Otto Rothfuss, Margarete Rebmann). Dass die beiden Kuratoren ihre 10. Sommerausstellung im Schloss Untergröningen der Farbe Weiß und unter 23 gezeigten Positionen neun Künstler zeigen, die sich mit Eis und Schnee beschäftigen, hat bei subtropischen Temperaturen einen besonderen Reiz: Man sehnt sich vor Tiina Itkonens Colorprints von Eisbergen vor den Küsten von Grönland ebenso nach Abkühlung wie beim Nachdenken über Simon Faithfulls DVD ‚44’ von 2005. Faithfull hat im Winter 2004/05 eine Reise von den Falkland-Inseln bis zur britischen Forschungsstation in der Antarktis durch den festen Blickpunkt des Bullauges auf einem Eisbrecher dokumentiert. Gert Wiedmaier findet die Motive seiner ‚Eisläufer’ dagegen vor der eigenen Haustüre. Das fotografische Motiv verwandelt sich mit jeder Wachsschicht, die er über die Colorprints legt, mehr und mehr in ein malerisches Medium. In dem Video ‚Untitled’ (Plan for Victory), 2006 von Elodie Pong tritt der Ernstfall ein: Eine Schneelawine fegt den in Rot auf den unberührten Schnee geschriebenen ‚Plan for Victory’ weg und zerstört das idyllische Tal. Unter den weiteren Positionen ragen Erwin Holls nahezu monochrom wirkende großformatige bläuliche, kalt-gelbliche und neblig-graue Malereien heraus, die mit ihren verrätselten Motiven und anderem an Umweltzerstörung, Frostigkeit und die Bedrohung des menschlichen Daseins denken lassen. Gerhard Mantz knüpft mit seinen luftigen pigmentierten Tinten auf Leinwand an die Tradition der Landschaftsmalerei an. Martin Bruno Schmid hat mit seinen Bohrzeichnungen, Bohrungen in Rigipsplatten und in Wänden die ihn auszeichnende künstlerische Handschrift gefunden. „Durch abertausende von Bohrungen mit der Bleistiftspitze befinden sich seine ‚Bohrzeichnungen’ im vagen Zustand des Zerfalls. Ergraut, hauchzart und luftig schwebt das zerfledderte Papier über dem weißen Grund, lässt ein Spiel mit Licht und Schatten entstehen und kommt damit dem Himmelssymbol ‚Pi’ … sehr nah. … Morbid erscheinen auch seine ‚Bohrstücke’. Weiße, mit der Bohrmaschine durchlöcherte Krusten aus Gips, Spachtelmasse und Wandfarbe scheinen abzublättern und lenken den Blick auf die Tektonik des Untergrunds“ (Otto Rothfuss, Margarete Rebmann). Nach dem Um- und Ausbau des Schlosses und 10 Kuratorenrunden geht die Verantwortung von Otto Rothfuss und Margarete Rebmann absprachegemäß in andere Hände über. Man kann gespannt sein, welche Kunst im Sommer 2011 in die dann wieder „jungfräulich weißen“ Räume im Schloss einziehen wird.
(ham)