mit Fotografien und einem Text von Heiner Bastian
Edition Heiner Bastian im Schirmer/Mosel Verlag, München, 2010, ISN 978-3-8296-0459-8, 112 S., 108 Abbildungen, davon 14 Farbtafeln, Hardcover gebunden mit Schutzumschlag, Format 30,5 x 21,5 cm, € 45,-- / SFR 74,--
Der als nachträgliches Geschenk zum 65. Geburtstag von Anselm Kiefer von Heiner Bastian vorgelegte Band stellt die wohl 1989 in der historischen Ziegelei in Höpfingen entstandenen Himmelspaläste in Wort und Bild vor. Die Installation umfasst 26 Skulpturen in Glasvitrinen und zwei freistehende Werke. Bastian schlägt vor, sie als ‚mythische Anatomien’ zu bezeichnen, „weil sie sich der historiographischen Anamnesis erwehren und jedem Versuch der Metaphorik sehr viel näher sind, einer Metaphorik, die zu Anfängen zurückführt, zu allen Anfängen des einen, einzigen Ursprungs“, des EN-SOF. „Anselm Kiefer hat diese poetischen Erscheinungen … aus Fundstücken und Fragmenten, aus lichtbrechenden Glasscherben, aus dem saturnisch grauen Blei, aus Lehmbruch gemacht, in dem die Zähne des Drachen Kadman liegen. Er hat Eisenrost und Papierzettel, ‚Lichtfunken’, Namen, Orte, nach denen wir immer noch suchen, Steine, Annotationen gebraucht und Atlantis ‚aufgesucht’. Er hat transparenten, ätherischen Erscheinungen steigende und fallende Wege gewiesen. In manchen dieser ‚Himmelspaläste’ gibt es Bilder unerfindlicher Landschaften, archaische Fotografien einer alten Erde. Fragile Karton- und Holzskelette halten das alles, die Himmelsleitern, an denen die Kleider der Allegorien haften, das Weltenrad des Valentinus“ (Heiner Bastian). Die s/w- und Farbfotografien lassen den Zauber dieser Schöpfungen erahnen. Sie machen aber auch zugleich deutlich, dass man Kiefers Weltenrad des Valentinus selber gesehen haben muss, wenn man dessen Zauber im Vollsinn begreifen will: Es zeigt eine Art Mühl- oder Schöpfrad, das an alte Obstpressanlagen erinnert, die Äpfel aus dem Wasserbad in die Raspel transportieren. Bei Kiefer tauchen die Wannen des Schöpfrads nicht ins Wasserbad, sondern in die Erde ein und transportieren die dort verloren geglaubten Lichtfunken wie Perlen in den Himmel. Die Welten schaffende Dimension dieser und anderen Arbeiten erschließt sich nur durch ihren Bezug auf antike Mythen, die Erzählungen der hebräischen Bibel, die christliche Mystik und die Gnosis. Man merkt, dass Kiefers Schöpfungen auf den Fundus der klassisch humanistischen Bildung setzen.
(ham)