Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 2009, ISBN 978-3-525-30011-4, 822 S., ca. 500 Farbabbildungen, Hardcover gebunden mit Schutzumschlag, Format 26,5 x 20,5 cm, € 39,90
Dem 1949 Geborenen sind die Schlüsselbilder der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nur in ihrer medialen Formatierung zugänglich und deshalb schon aus biografischen Gründen historisch geworden. Gleichwohl prägen sie die eigene Politik-, Mentalitäts- und Genderkonstruktion entscheidend: . Bilder von wissenschaftlichen Fortschritten und demokratischem Aufbruch bleiben dem gegenüber marginal. Wilhelm II. in Paradeuniform und Adlerhaube steht noch heute für Imperialismus und preußisch-deutschen Militarismus. Robert Capas „Falling Soldier“ von der Córdoba-Front bei Cerro Muriano vom 5.9.1936 hat ebenso Bildgeschichte geschrieben wie George Carons Aufnahme der Atomwolke über Hiroshima vom 6.8.1945. Dass die Hiroshima-Bombe von der Mehrzahl der US-Bürger bis heute als Symbol des technischen Fortschritts und des Siegs im Pazifik-Krieg und nicht als „Apokalypse der Moderne (Süddeutsche Zeitung 2005)“ gesehen wird, irritiert ebenso wie Franz Gayks Aufnahme vom Empfang der Hitlerjungen am 20.3.1945 im Hof der Neuen Reichskanzlei in Berlin: Hitler legt dem Hitlerjungen Erwin Scheideweg die Hand auf die Schulter. Es ist Hitlers letzter Propagandatermin. Wenn man A. Paul Webers schon 1932 veröffentlichte Federzeichnung „Das Verhängnis“ ernst genommen hätte, wären der Welt womöglich Fotografien von Auschwitz-Birkenau und Bergen-Belsen (Harry Oakes, A British Army bulldozer pushes bodies into a mass grave at Belsen, 17. oder 19.4.1945) und von der Zerstörung von europäischen Städten wie Berlin (Jewgeni Chaldej, Reichstag, Berlin, 2.5.1945) erspart geblieben: In Webers Federzeichnung marschiert ein ganzes Volk über einen aufgeworfenen Hügel in ein Massengrab. Im Grab liegt ein Sarg, der Heerscharen von Menschen aufnehmen kann. Das Hakenkreuz auf den Fahnen der Massen und auf dem übergroßen Sarg steht noch vor der Machtergreifung für die drohende Katastrophe. Webers Zeichnung hat ihren Platz in den Geschichts- und Schulbüchern gefunden.
(ham)