Deutsche Ausgabe der Publikation zur gleichnamigen Ausstellung vom 18.04. – 10.08.2010 im Kunstmuseum Basel
Hrsg. vom Kunstmuseum Basel mit Texten unter anderem von Benjamin H.D. Buchloh, Bernhard Mendes Bürgi und Ann Temkin
Kunstmuseum Basel/Hatje Cantz Verlag, Ostfildern, 2010, ISBN 978-3-7757-2510-1, 256 S., ca. 435 Farbabbildungen, Hardcover gebunden, Format 31,2 x 25 cm, € 49,80 (D)/ SFR 88,-- (Buchhandelsausgabe)
Das Gesamtwerk des 1962 geborenen Mexikaners Gabriel Orozco ist vielseitig und nur als Ganzes in seiner Bedeutung einzuschätzen. Es umfasst Installationen, Skulpturen, Fotografien, Malereien und Zeichnungen. Kennzeichnend für diese Künstlergeneration ist das Unterwegssein. Orozco spricht hier von einem „offenen Atelier“. Er pendelt hin und her zwischen New York, Paris und Mexiko-Stadt. Die „working tables“ (Mexiko 1991 – 2006) sind ein beredtes Zeugnis für diese relative Unruhe. Das „offene Atelier“, die Mega-Städte mit ihren belebten Straßen, mit ihrem Zivilisations-Müll werden zum Arbeitsplatz.
Bei Orozco gibt es keine stilistische Festlegung, keinen stilistischen Stillstand in irgendeiner Form. Die Realität, der Lebensraum ist Arbeitsfeld und Herausforderung und der Künstler reagiert darauf. Er reagiert sensibel, sucht und findet, bringt geringfügige Änderungen an und stellt – vorsichtig – neue Zusammenhänge her.
Ein vorgefundener Citroën DS wird so beschnitten, bis aus dem Vier- ein Zweisitzer wird, der dann eher an einen Messerschmidt Kabinen-Roller erinnert.
Vorsichtige Eingriffe, Veränderungen gehen einher mit experimenteller Suche. Der „yielding stone“ (1992) ist ein Beispiel dafür. Ein Plastilin-Klumpen wird durch die Straße gerollt. Die Struktur der Straße bildet sich auf seiner Oberfläche ab. Mehrere Fahrräder („Four Bicycles“, 1994) werden aneinandergeschweißt. So entsteht aus einer vorgefundenen, bekannten Form etwas Neues, Unbekanntes, Überraschendes.
Orozco experimentiert suchend. So mutet es nicht befremdend an, wenn er sich plötzlich – unerwartet – dem Tafelbild zuwendet. Aber hier spricht er dann nicht von „Malerei“, sondern von „Diagrammen“, die wir schon in früheren Arbeiten – in einer anderen Erscheinungsform – vorfinden. Also auch hier nicht Irritation oder Ausweichen, sondern konsequentes Suchen auf einer anderen Ebene.
Auf die durch den vermeintlichen Stilwechsel gestellten Fragen antwortet er: „Die Leute vergessen, dass ich (Erwartungen …) enttäuschen will. Ich verwende den Begriff ganz bewusst. Ich will die Erwartungen desjenigen enttäuschen, der darauf wartet, in Erstaunen versetzt zu werden“.
Orozco ist ein gutes Beispiel dafür, dass „Kunst und Leben“ eine Einheit bilden müssen, wenn sich Kunst und Leben abbilden sollen.
Eine Gesamtschau ist deshalb zum Verständnis gerechtfertigt und sinnvoll. Sie fordert den Betrachter heraus, sich einzulassen und – wichtig – sich dafür zu interessieren.
(Siegfried Kaden)