Hrsg. von Harald Falckenberg und Peter Weibel mit Texten unter anderem von Bazon Brock, Margit Brehm, Axel Heil und John Miller zu den Ausstellungen vom 15.12.2007 – 30.03.2008 im ZKM/Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe, vom 31.05 – 14.09.2008 in der Sammlung Falckenberg Hamburg und vom 06.02. – 20.04.2009 im Museum Nacional Centro de Arte Reina Sofia, Madrid
MIT Press Cambridge, Massachusetts, 2008, ISBN 978-0-262-01254-6, 640 S., zahlreiche s/w- und Farbabbildungen, Hardcover gebunden, Format 28,5 x 22 cm, € 42,--
Das von Harald Falckenberg und Peter Weibel herausgegebene Katalog-Buch ist die erste umfassende Aufarbeitung von Paul Theks Gesamtwerk und schon deshalb kunsthistorisch bedeutsam. Beim Durchblättern dieser in jeder Hinsicht gewichtigen Foliante fällt ins Auge, welchen Einfluss Thek auf seine Zeitgenossen und spätere Künstler hatte: Man denkt an Joseph Beuys, Dieter Roth, Jonathan Meese und viele andere. Der vorliegende Band kommt genau richtig zu einem Zeitpunkt, wo sporadisch wieder Arbeiten von Thek im Kunsthandel auftauchen. So waren in der Art 40 Basel 09 Theks Objekt „Apple“ von 1969 und eine Zeichnung angeboten. Diese „Funde“ bleiben missverständlich, weil sie nur in komplexen Zusammenhängen versteh- und erfahrbar werden: Es handelt sich dabei selbstverständlich nicht um autonome Kunstwerke. Auch bei Thek fehlt – wie oft bei Beuys – die Aura des Künstlers, die zum Verständnis beitragen könnte. So war auf der dokumenta 1968 Theks Arbeit „Death of a Hippie“ zu sehen. Eine wichtige Arbeit, die aber nur noch als Insider-Information im Gedächtnis weniger präsent war.
Die vorliegende Dokumentation belegt die ungeheure Komplexität und Vielseitigkeit von Theks Gesamtwerk und ist eine editorische Großtat. Neben den Installationen gibt es immer wieder Malerei, Zeichnungen (… mitunter fast klassisch akademisch) und Plastiken (z.B. die „Meat Pieces“), die in Installationen integriert sind. Es gab aber auch zu Lebzeiten Theks Ausstellungen nur mit Malerei oder nur mit Zeichnungen. Letztere zeigen gedanklich immer wieder räumlich bezogene Situationen auf und bilden sie ab.
Alle Disziplinen in Theks Gesamtwerk haben eine nachvollziehbare Vorgeschichte. Sie sind nicht bloß adaptiert oder ausgedacht, sondern erfahren: Mit 21 Jahren jobbt er in Miami als Schaufenster-Dekorateur, zeichnet Portraits, Landschaften, fertigt Studien von Blumen und macht Modezeichnungen (1957 Ausstellung in der Mirrell Gallery in Miami). 1962 steht dann der erste Europa-Besuch an. Er interessiert sich für die Malerei von van Goghs und Munch, besucht die Katakomben in Palermo, was ihn nachhaltig beeinflusst („Fisherman“, „Death of a Hippie“ etc.). 1971 lernt er Robert Wilson kennen. Er übernimmt anfangs kleinere Rollen in Wilsons Inszenierungen. So tritt er einmal in einem Affen-Kostüm auf. Mit der Zeit wird diese Arbeit intensiver: Thek fertigt ganze Bühnen-„Bilder“ für Wilson. Eine Erfahrung, die sich vorteilhaft für seine eigene Arbeit auswirkt. 1972 wird er von Harald Szeemann zur documenta 5 „Individuelle Mythologien“ eingeladen. 1980 folgt die Einladung zur Biennale in Venedig (mit der Arbeit „Tower of Babel“) und 1981 die Einladung zur „Westkunst“ von Kaspar König. Liest man die biographischen Daten zu Thek, so wird der „Artist’s Artist“ deutlich, in dessen Lebensmittelpunkt die eigene Arbeit als Obsession steht. Thek scheut sich deshalb auch nie, auf Grund temporär finanzieller Schwierigkeiten Gelegenheitsarbeiten anzunehmen: So arbeitet er z.B. 1978 (!) in einem Supermarkt und in einer Reinigungskolonne in einem Krankenhaus. Interessant ist das Katalogbuch schließlich auch durch die Texte und Interviews mit „Zeitzeugen“, die mit Thek befreundet waren oder mit ihm zusammengearbeitet haben: mit Harald Szeemann etwa, der ihn in einem Interview etwas hilflos zum Thema „Surrealismus“ in seiner Arbeit befragt oder mit Jean-Christoph Ammann, der bei Thek angefragt hatte, ob er die hölzernen Bestandteile einer Installation, die sich noch im Museum befanden, entsorgen darf.
(Siegfried Kaden)