Zeichnungen aus der Sammlung Mathar
Publikation zur gleichnamigen Ausstellung vom 02.10. – 29.11.2009 im Museum am Dom Würzburg
Hrsg. von Michael Koller und Jürgen Lenssen mit Texten von Eduard Beaucamp, Jürgen Lenssen, Bernd Lindner und Peter Mathar
Kunstreferat der Diözese Würzburg, 2009, ISBN 978-3-9812595-2-0, 102 S., zahlreiche Farbabbildungen, Spiralbindung, Format 15,5 x 22 cm, € 14,80
Wolfgang Mattheuer (1927 – 2004) ist einem breiten westdeutschen Publikum durch die Ausstellung „Zeitvergleich. Malerei und Grafik aus der DDR“ bekannt geworden, die 1992 und 1993 unter anderem im Kunstverein Hamburg, im Württembergischen Kunstverein Stuttgart und in den Städtischen Kunsthallen Düsseldorf und Nürnberg gezeigt worden ist. In der Ausstellung war auch Mattheuers Gemälde ‚Alptraum’, 1982, Öl auf Hartfaser, 140 x 106 cm zu sehen. Es zeigt einen Läufer, dessen Rechte zum Hitlergruß erhoben ist und dessen Linke eine zur Faust geballte Hand zeigt. Der rechte Fuß bleibt barfuss und nackt, der linke ist mit einer militärischen Uniform und Militärstiefeln bekleidet. Die Figur ist später als „Jahrhundertschritt“ bekannt geworden. Sie „wuchs mit und aus ihrer Zeit! Sie reifte – Schritt für Schritt, über mehr als zweieinhalb Jahrzehnte – zur Quintessenz seines künstlerischen Schaffens wie seines weltanschaulichen Denkens zugleich“ (Bernd Lindner). Erste Wurzeln reichen zu den Skizzen von „Stürzenden“ aus dem Jahr 1958 zurück. Mit „Trotz alledem!“ taucht in den 70er Jahren das Symbol der erhobenen Faust auf. „Solange meine Sonnen nicht in Schwarz ersaufen“, notiert Mattheuer 1979, „will ich meine Bilder machen, rücksichtslos, trotz alledem. Mit einer Hoffnung: Dass die Welt nicht ganz draußen bleibe, aus meinen Bildern. Alles andere muss aufhören, mich zu interessieren. Es muss mir gleichgültig sein, ob ein Herr X mir schöne Sätze sagt, oder ein Herr Y mich nicht zur Kenntnis nimmt. Kein Echo darf erwartet werden. Es geht ums Leben. Um was noch. Meine Sonnen heißen: Trotz alledem!“ Schließlich entstehen 1980 miteinander verschränkte Figuren und erstmals der „Jahrhundertschritt“. In Peter Mathars Sammlung von Mattheuer-Zeichnungen tauchen Vorstufen des Jahrhundertschritts unter anderem in den Zeichnungen ‚Aggression’ und ‚König Lear’ von 1982 auf. In einer 23 x 20,5 cm großen Zeichnung von 1986 wird die Figur „Jahrhundertschritt“ genannt. Der gleichnamige Bronzeguss aus dem Jahr 1985 wird von den Besuchern der Zehnten Kunstausstellung der DDR in Dresden zum wichtigsten Werk erklärt. „Mit dieser Plastik ist ihm etwas gelungen, was Künstlern nur selten gelingt: Die Schaffung einer eigenen mythologischen Figur!“ (Bernd Lindner). Dass sich das Museum am Dom Würzburg mit Mattheuer-Zeichnungen beschäftigt ist seinem Präsentationskonzept geschuldet: Es ist darauf angelegt, „den Betrachtern der ausgestellten Werke durch deren Wahrnehmung eine Deutungshilfe für die eigene Lebenssicht anzubieten. Das geschieht nicht durch eine Indienstnahme und inhaltliche Vereinnahmung der Kunst, sondern durch die Präsentation von Werken, die ihrerseits in den Betrachtern Bilder wecken. Das entspricht …. der Selbsteinschätzung von Wolfgang Mattheuer“, der als Bildermacher Menschen „zu ihren eigenen Bildern verhelfen wollte“ (Jürgen Lenssen).
(ham)