Hrsg. von Wolfgang Jean Stock als Katalog 128 der DG zur gleichnamigen Ausstellung vom 29.01. – 19.03.2010 in der DG Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst e.V. mit einem Vorwort des Herausgebers und einem Gespräch zwischen Walter Grasskamp und Bernd Zimmer
DG Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst München, 2009, ISBN 978-3-932322-31-0, 72 S., eine s/w- und 32 Farbabbildungen, Hardcover gebunden, Format 27,4 x 21,4 cm, € 15,--
Der Titel ‚Das menschliche Format’ und der damit gegebene Bezug zur Conditio Humana im Werk von Bernd Zimmer erfordern einen weiten Bogen. Dieser Bogen wird im vorliegenden Band zwischen Zimmers Anfängen in der heftigen Malerei und seinen neuesten großformatigen Triptychen ‚Woher? (Sternenstaub), Jetzt (Im Spiegel), Wohin? (Cosmos, Nebel)’ und ‚Trinität’, beide 2009 aufgespannt. Die Triptychen summieren Zimmers bisherigen malerischen Weg und werden zu einer ihrer Spitzenformulierungen. Der Rückgriff auf die ‚Totenschädel’ von 1977 und die 1991/92 aus Anlass des Golfkriegs gemalten Knochen, Schichtungen und Auflösungen menschlicher Körper führt vor, dass alle Menschen sterben. Die Wüstenbilder aus den 1990er Jahren und aus dem Jahr 2000 zeigen, dass auch Landschaften verblühen und zu Todeszonen werden können. Wer das Vergehen und den Tod vor Augen hat, fragt nach dem Woher und Wohin und ob es eine Größe gibt, die die sinnlich fassbare Welt übersteigt. Vor diesem anthropo-theologischen Horizont werden Zimmers neue Arbeiten zu malerischen Bekenntnissen. In seinem Triptychon ‚Woher?’ … Jetzt … Wohin?’ tritt das Leben als kraftvoll-gelbe Lebensspur in einen blutroten kosmischen Uterus, der vor Vitalität strotzt. Formal erinnert die linke Tafel mit ihrem schmalen Vordergrund und ihrem hohen Horizont an seine jüngste Serie der Landschaftsmalereien. Die mittlere Tafel lehnt sich an seine in der Uckermark entstandenen Reflexionen und Spiegelungen an. Die ruhigen Oberflächen von Weihern und Seen im Vordergrund spiegeln nicht nur das Gestrüpp und die Urwaldriesen am Ufer, sondern auch den Himmel und den Kosmos. Sie werden darüber zum Auge der Natur. Die rechte Tafel steht in der Tradition seiner Kosmos-Bilder. ‚Trinität’, das zweite Triptychon, überschreitet den kosmischen Ereignishorizont. Es fragt nach der Größe, die diesen Kosmos übersteigt. In der christlichen Antwort ist es der in drei Personen als Gottvater, Sohn und Heiliger Geist bestimmte Gott. Zimmer verzichtet auf die Erzählung vom Mensch gewordenen Gott und führt sie dennoch in der Pathos-Formel Triptychon vor Augen. Als gelernter Religionswissenschaftler weiß er um die Grenzen matrial gefasster Gottesbilder. Er kennt die Schwierigkeit, Gott im Angesicht von Tod und Leid zugleich als allwissend, barmherzig und allmächtig zu denken. Deshalb verzichtet er in der Tradition der negativen Theologie auf Narration und setzt ganz auf die Kraft der Farben. In ‚Tritinität’ dominieren die Farbe Weiß als Nicht- und als Summe aller Farben, die Farbe Gelb und die Farbe Grün. Gott erscheint gleichsam als Licht, als Spur und als Struktur, die die Materie zum Atmen bringt. Walter Grasskamp bezweifelt, ob reine Farbsymbolik noch funktioniert, nicht, „weil wir sie vergessen haben, sondern weil wir zu viel wissen und sehen. Solche Codierungen funktionieren nur in Gesellschaften mit wenig Komplexität; da kann man dann Bedeutungen verbindlich festlegen und allen bleiben sie memorierbar. Aber bei unserer Informationsflut können wir uns eigentlich nur noch aufs Alphabet verlassen“ (Walter Grasskamp). Zimmer hält dem entgegen, dass das, was die christliche Tradition unter Trinität versteht, für ihn als Maler nicht mehr personifiziert und auch nicht mehr in Symbolen des Kreises oder Dreiecks dargestellt werden kann. Deshalb lässt er sich auf die Herausforderung ein, ein offenes Bild für Trinität zu finden. „Das Bild muss als strahlende Erkenntnis erscheinen, die Nichtfarbe Weiß, fast neutral in ihrer Erscheinungsform, muss den Bildraum bestimmen. Eine weiße Lichtwand gleich einer durchbrochenen Nebelwand, symbolisiert die Anwesenheit des Undarstellbaren“ (Bernd Zimmer). Zimmers Entscheidung, komplexe theologisch-philosophische Themen als Maler und mit malerischen Mitteln zu diskutieren, deutet einen Paradigmenwechsel an. Gott kehrt als Thema in die Malerei zurück. Die 2009 im Hospitalhof Stuttgart präsentierte Ausstellung Transzendenz INC. zeigt, dass Zimmer kein Einzelfall bleibt. Fortschrittsglauben und Aufklärung verblassen. Die anhaltende Krise der Finanz- und der Realwirtschaft markieren die Grenzen der Ökonomie. Die Menschheitsfragen lösen sie nicht. Damit wird Religion wieder für Künstler interessant. Es bleibt zu hoffen, dass die neue Offenheit wie eine ausgestreckte Hand verstanden wird und das Gespräch zwischen Kunst und Religion auf eine höhere Ebene kommt.
(ham)