Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Migros Museum für Gegenwartskunst Zürich vom 27.11. 2008 – 08.02. 2009. Hg. von Raphael Gygax und Heike Munder. Mit einem Text und einem Künstlergespräch von Raphael Gygax . JRP|Ringier, Zürich, 2008, ISBN 978-3-905829-98-3, dt. / engl., 64 Seiten, 28 Farb- und 2 s/w-Abb, gebunden, Format 29 x 21 cm, € 25,--
Totenköpfe, abgetrennte Gliedmaßen, ausgestochene Augen, aufgeschnittene Frauenkörper und zu Fratzen verzerrte Prominentenporträts – englischen Humor hat sie, die 1970 geborenen Engländerin Dawn Mellor. Doch trotz der ansprechenden Thematik ihrer Öl-auf-Leinwand-Malerei mag beim Betrachter keine rechte Stimmung aufkommen. Vielleicht lassen ihre Porträtserie „Vile Affections“ oder der 2006 begonnene Dorothy-Zyklus, der sich um die Hauptfigur aus dem Film „The Wizard of Oz“ von 1939 dreht, dem Betrachter einfach zu wenig geistigen Spielraum. Visuelle Überwältigung überdeckt den kritischen Ansatz.
Der Witz ist doch, dass die meisten Prominenten aus der Regenbogenpresse sowieso nur groteske Karikaturen ihrer Selbst sind. So scheint es zum Beispiel völlig unnötig, die amerikanische Transsexuelle Amanda Lepore in einen Frankenstein aus vernarbten Hautstücken zu verwandeln, denn Lepore ist ein Frankenstein aus vernarbten Hautstücken, ein schönheitschirurgisch verunstaltetes Medienmonster aus den dunkelsten Gossipsümpfen. (Nichts für ungut, Amanda!) Dass Mellor die „von der Massenunterhaltung kommunizierten moralischen Codes“ zerschlägt, wie der Ausstellungskurator Raphael Gygax schreibt, mag ein ehrenvoller Ansatz sein. Aber die grotesken Auswüchse unserer Gesellschaft durch ein „noch mehr“ an grotesker Malerei bekämpfen zu wollen, erscheint dabei wenig hilfreich.
(Michael Reuter)