Katalog zur gleichnamigen Ausstellung in der Kestnergesellschaft, Hannover vom 01.09. – 05.11. 2006. Hg. von Veit Görner, Hilke Wagner und Frank-Thorsten Moll. Mit Texten der Herausgeber. Kerber Verlag, Bielefeld, 2006, ISBN 3-938025-95-6, 103 Seiten, ca. 66 Farbabbildungen, gebunden, Format 27 x 22 cm, € 28,--
Die 1945 geborene US-Künstlerin Barbara Kruger hat die Mechanismen der Werbung als Mitarbeiterin einiger Modezeitschriften gründlich kennen gelernt, bevor sie sich entschloss, als Künstlerin zu arbeiten. „Kruger konfrontiert die Stereotypen und Klischees von Macht, Konsum, Sexualität und Ideologie miteinander“ und „unterwandert das System der gewohnten und für gewöhnlich erwartbaren Werbebotschaften durch paradoxe, intelligente, scharfsinnige und witzige Bezüge zwischen gesehenem Bild und gelesenem Wort“ schreibt Veit Görner in seiner Einführung.
Ende der 80er Jahre war an Literatur zur Konsumkritik wahrlich kein Mangel. Der eifrig studierende Werbewirt lass Eva Hellers „Wie Werbung wirkt“ oder mal wieder das paranoide Standardwerk „Die geheimen Verführer“ von Vance Packard aus dem Jahr 1957. Mit „Rosalie Goes Shopping“ kam 1989 ein wunderbarer Spielfilm von Percy Adlon in die Kinos, der den ungebremsten amerikanischen Konsum aufs Korn nahm und Barbara Kruger zeigte 1987 ein Foto mit dem grellrot unterlegten Slogan „I shop therefore I am“.
Und was hat sich seitdem geändert. Nüscht! Oder doch! Es ist alles viel schlimmer geworden. Konsum als Lebenshaltung wird mal positiv, mal negativ analysiert. Ob eine Ware nun ein sinn- und identitätsstiftendes Moment besitzt, oder ob alles nur durch die Medien indoktriniert ist – die Diskussion ist abgestanden wie kalter Tee und schmeckt auch in der nostalgischen Rückschau nicht mehr. Gerade an den Themen von Kruger, den gesellschaftlichen Machtstrukturen, Stereotypen in den Medien und Geschlechterbeziehungen, zeigt sich, dass es immer noch nur zwei gesellschaftliche Schichten gibt: Die Dummen, die sich von Werbung und Unterschichtenmedien verblenden lassen und die Gebildeten, die Werbung und Unterschichtenmedien gewinnbringend produzieren und sich selbst schamhaft davon zu distanzieren suchen. Die Kunst hat hier gar nichts zu vermelden. Die „Unterwanderung“ gesellschaftlicher Phänomene ist eine kunsthistorische Leerstelle: Immer gerne zitiert aber praktisch vollkommen unwirksam.
(Michael Reuter)