Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Museum Folkwang Essen vom 04.03. – 30.04. 2006. Hg.: Museum Folkwang; Städtische Galerie Wolfsburg; Fotomuseum im Münchner Stadtmuseum. Mit einem Text von Sally Stein. Steidl Verlag, Göttingen, 2006, ISBN 978-3-86521-321-1, 88 Seiten, 62 s/w-Abbildungen, Broschur, Format 26,5 x 24 cm, € 19,--
1970 veröffentlichte Ken Ohara seinen Fotoband "One", der über fünfhundert Porträtaufnahmen enthält, alle auf einen sehr engen Ausschnitt des Gesichts reduziert, ein Bild pro Seite, ohne Rahmen und ohne Paginierung. Die Kraft dieser Publikation hat er nie wiederholen können, aber das hat den Japaner Ohara nicht davon abgehalten, seinen fotografischen Claim abzustecken.
Er fotografierte sich 24 Stunden lang jede Minute einmal auf einem Ohrensessel sitzend, fertigte Fototagebücher als vierzehn Meter lange Leporellos, verschickte eine einfache Fotokamera an wildfremde Leute, um objektive Fotos des amerikanischen Durchschnittsmenschen in seinem Durchschnittsalltag zu erhalten oder fertigte Porträts mit einer Belichtungszeit von einer Stunde: Die Gesichter verwackelten bis zur Unkenntnis und hinterließen einen gespenstischen Eindruck der anwesenden Abwesenheit der Porträtierten. Einige Teilnehmer zeigten sich wenig begeistert, aber sie könnten doch „im Lauf ihres Lebens zu der Erkenntnis gelangen, dass diese lange, pulsierende Ablichtung wahrer ist als all die schnellen Schnappschüsse, die eine künstliche Konstanz des Ich verbiefen". (Sally Stein)
Nicht immer sind seine Arbeiten auf Verständnis gestoßen, aber oft zeigen sich erstaunliche Parallelen zum Umgang mit Porträts und privatem Bildmaterial in der zeitgenössischen Fotografie. Bildmaterial von anonymen Zeitzeugen, über Handy und Internet versendet, ersetzt zunehmend die professionellen Bilder der Nachrichtenagenturen und ungeschönte Großporträts hängen in jeder Kunstmesse.
Der Text von Sally Stein berichtet von Oharas Schwierigkeiten mit der englischen Sprache, den Höhen und Tiefen seine Existenz in Amerika, seinem unprätentiösen Umgang mit dem eigenen Werk. In ihrem Essay findet sich ein gesetzter Herr, der sich nicht über Exzesse und prominente Bekanntschaften definiert, sondern über ein Werk, das in einem ganz normalen Leben mit Familie, Terminschwierigkeiten und künstlerischem Selbstzweifel entstand. Ken Ohara gehört nicht zu den großen Meisterfotografen, aber er hat sein Statement gemacht. Hier wird kein Mythos besungen, sondern ein Leben erzählt. Auch mal angenehm.
(Michael Reuter)