Belser Verlag, Stuttgart, 2009, ISBN 978-3-7630-2521-3, 128 Seiten mit 120 farbigen Abb., gebunden, Format 28,5 x 25cm, € 24,95
Von der griechischen Antike bis zur heutigen Zeit reichen die anekdotischen Berichte des Münchener Literaturwissenschaftlers und Kulturhistorikers Joachim Nagel über die unendlichen Variationen männlicher Sexualneurosen, die sich durch die Jahrhunderte am Topos der „Femme fatale“ in ihrer verführerischen Schönheit entfaltet haben. Lilith, Salome, Cleopatra, griechische Göttinnen und zeitgenössische Filmdiven: Das Buch will nur unterhalten, belegt aber in erster Linie einen wahnhaft übersteigerten Sexualtrieb bei Malern quer durch die Epochen, verbunden mit einer furchtbaren Angst vor weiblicher Dominanz.
„Wohl begründet stammt ein Großteil der Frauenbildnisse dieses Buches aus der Zeit etwa zwischen 1880 und 1910 – damals erlebt das Thema der Femme fatale in der Kunst seine eigentliche Blüte …“, schreibt der Autor. Tatsächlich wäre es der Sache dienlicher gewesen, er hätte sich auf die Belle Époque konzentriert und ein präzises Sittenbild der Zeit aufgezeichnet. Stattdessen verheddert sich das Buch in blanken Brüsten und schmachtenden Blicken und zeichnet unkommentiert ein reaktionäres Frauenbild nach, das durch die Jahrhunderte von dämonischen Teufelsweibern dominiert wird und im Sumpf männlicher Erotomanie stecken bleibt. Als Ausgleich für die visuelle Fülle entblößter Weiblichkeit kommen im Text ausschließlich die Männer zu Wort, dichtend, philosophierend, krank vor Gier und spitz wie Nachbars Lumpi.
Erst auf den letzten Seiten taucht etwas verschämt der emanzipierte Blick in Form eines Bildes von Cindy Sherman auf. Zeitgenössische Kunst findet ansonsten nicht statt. Nichts gegen schöne Bilder von schönen Frauen aber so ganz ohne Reflexion über die Geschlechterrollen geht es heutzutage nicht mehr.
(Michael Reuter)