Ausstellung vom 11. September bis 28. November 2009 im Kloster San Francisco de Asís, Havanna, Kuba in Zusammenarbeit mit dem Nationalrat für Bildende Künste und dem Museo Nacional de Bellas Artes de Cuba
Jüngste Ode an Belkis Ayón
“Man wird uns für immer an den Wegen erkennen, die wir hinterlassen” (Sprichwort)
Vielleicht wusste sie es nicht oder sie ahnte es irgendwann, aber das Leben hatte sie mit Gandos (Unterschriften) gekennzeichnet, die über das Fitití ñongo (Großes Festival) hinausgingen und erlaubte ihr spirituell den Eintritt in das Zimmer von Fambá (Zimmer der Initiation). Sie war eine Frau und wir wissen, was das in einer Bruderschaft von Männern bedeutet, vielleicht weisen ihr deswegen einige den Platz von Sikán zu. Sie verkaufte keine Geheimnisse und beging keinen Verrat, sie humanisierte ganz einfach mit ihrem schöpferischen Gepräge und durchbrach die Grenzen der Vernunft.
„Nkame“ (Gruß oder Lob in der Sprache Ñañiga) ist die notwendige anthologische Ausstellung, um die “Fortdauer zu privilegieren”. Es ist die Bestätigung, dass sie das Wohlwollen von Abasí, dem höchsten Gott der Abakuá, genoss. Die Auswahl ist wie ein Lebenszyklus strukturiert: Geburt, Entwicklung, Tod und Auferstehung.
Geburt
So in Ndísime (initiiert) (I), (II), (III).
Der Ritus der Initiation wird als Akt der Geburt gesehen, wobei die religiöse Nuance angemessen ist; schön ist, dass sie dies auf sequenzielle Art tut, indem sie die bedeutenden Etappen der Geburt markiert, ausgehend von der Idee der Weihe als einem Akt des Glaubens, der bewussten Hingabe in “Pa’ que me quieras por siempre”(damit du mich für immer liebst) oder in “la consagración”(die Weihe) (I), (II),(III).
Entwicklung
Zu Beginn lässt sie in “La cena” (Das Abendessen) ein intimes Ambiente der familiären Einheit ahnen, Schoß, wo das Spirituelle zusammenläuft, da die Mitglieder der Familie um den Tisch zusammengeführt werden, und später geht sie mit Nachdruck auf das Thema ein, als sie es in einem anderen Zusammenhang wieder aufnimmt: “La familia” (Die Familie), die nicht frei von Widersprüchen ist, die dem Zusammenleben eigen sind.
Sie stellt sogar ein Gleichnis zwischen der Frau und dem Ziegenbock her, weil beide geopfert werden, wobei die Sikán eine persönliche Behandlung erfährt, die den bloßen religiösen Tatbestand durchbricht, um sich auf das Soziale zu beziehen, wobei sie in den Werken “Abasí, sálvanos”(Abasi, rette uns) für den Anspruch der Frau eintritt oder wenn sie die transzendente Rolle der Frauen behandelt, in dem sie sagt “Aunque vayamos al cielo siempre se acordarán de nosotras”(Auch wenn wir in den Himmel kommen, wird man sich immer an uns erinnern).
Tod
Im Werk “Nlloró” (Weinen, Begräbnisritus), herrscht – obgleich der Tod erwähnt wird - der religiöse Bezug vor, wobei der Hinweis entfernt ist. In den kreisförmigen Werken jedoch beschwört sie das Drama und persönliche Existenzängste, und ausgehend von diesen Unruhen des Geistes beginnt sich der Zyklus in Form eines Prozesses zu schließen, so lässt sie es uns in “Acoso”(Belästigung), “Intolerancia”(Intoleranz) und “¡Déjame Salir!”(Lass mich raus!) sehen, wo sie die Empfindung vermittelt, in einer Sackgasse gefangen zu sein.
Auferstehung
Das Phänomen ist eindeutig, nicht nur im Stich mit diesem Titel, sondern in der Aktualität ihres Werkes, wo die technische Meisterschaft den poetischen Flug nicht trübt, wenn sie durch chromatische Abstufungen von Grautönen Athmosphären gespenstigen Mysteriums formt, die mit den Texturen übereinstimmen, und somit eine persönliche Ikonografie erschafft, die sowohl in kleinen Formaten zum Ausdruck kommt als auch in den großen Altarbildern, die ihr Werk kennzeichnen und ebenso in den Arbeiten der Schüler, die von ihrer Lehre berührt wurden.
Führen wir den Lobgesang weiter, in dem wir sie in der besten Tradition der Abakuá zelebrieren, leiten wir mit der Opferung eines Hahnes die Trommelklänge des Obí- Apá (tambor profano) der Biankomeko-Gruppe ein, schütteln wir den Enkaniká (Gürtel mit Glocken), damit Belkis weiterhin das Mädchen ist, das von Abasí und von uns gewönlichen Sterblichen bevorzugt wird.
Havanna, November 2009.
Lic. Ulises Morales Lamadrid