Publikation zur Ausstellung in der Galerie Kunstraum 21 Köln vom 25.01. -7.3.2008
Herausgeber: Galerie Kunstraum 21, Köln. Mit Texten von Dr. Stephan Geiger und Prof. Dr. phil. Dieter Ronte
Druck Verlag Kettler, Bönen, 2008, ISBN 978-3-941100-21-2, 90 S., ca. 130 Farbabb., Format 22,5 x 31 cm, gebunden, € 25,--
Babak Saed, 1965 im Iran geboren, lebt und arbeitet in Bonn. Als Konzeptkünstler arbeitet er mit dem Medium der Sprache. „Dieses setzte ich in Installationen im öffentlichen Raum, Kunst am Bau, Video- und Audioarbeiten, sowie Wandarbeiten um. Die Positionierung jeder Installation steht in einem konzeptionellen Zusammenhang mit dem Inhalt der Sätze.“
Babak Saed bringt kurze textliche Bemerkungen in Räumen und an Gebäuden an. Er begegnet mit diesen Textstücken der Bestimmung dieser Räume und Orte – oft sind es öffentliche oder halböffentliche Orte – und er nimmt gleichzeitig einen Dialog mit der jeweils vorhandenen Architektur auf.
Babak Saed lässt seine Textbemerkungen immer in Großbuchstaben verfertigen, immer in ein und demselben Schrifttyp, nämlich Arial. Babak Saed entzieht dabei seinen Textbemerkungen die „normalen“ Zwischenräume zwischen den Worten. Das irritiert beim Lesen. Schon die ausschließliche Verwendung von Großbuchstaben zwingt zu langsamem Lesen. Aber erst der Entzug der Wortzwischenräume führt dazu, dass die Textstücke meist nicht im ersten (Lese-)Anlauf erschlossen werden können. Man muss nochmals zurück zum Anfang und ein zweites oder drittes Mal damit beginnen, den Satz zu entziffern – meist erkennt man erst dann den Wortsinn der Buchstabenreihe. Der Gehalt dieser Worte am jeweiligen Ort lässt sich in der Regel aber erst entdecken, wenn man deren Dialog mit der Architektur lauscht und diesem Dialog auf die Spur kommen will. Der Künstler lockt die Betrachterin zu einem mehrfachen Lese- und Gedankenspiel.
Der erste Blick findet in den Bemerkungen Babak Saeds oft Worte oder Wortstücke, die eher zufällig entstehen durch die abstandslose Zusammenstellung der Buchstaben. Dann lockt der Künstler die Betrachter mehrmals an den Anfang seiner Textstücke zurück um nochmals und nochmals die Entschlüsselung der Buchstabenreihe zu versuchen – die Lesegeschwindigkeit wird dabei gedrosselt. Und schließlich regt Babak Saed noch die Neugier auf den Dialog des Schriftzugs mit dem Raum, dem Ort, der Architektur an. Es entstehen darin Geschichten und Fragen, assoziative Verbindungslinien treten hervor und Widersprüchlichkeiten reizen. Jetzt tritt die irritierende und belebende Kraft dieser sprachlichen Bemerkungen erst richtig zu Tage. Vor allem der Entzug der Wortzwischenräume setzt beim Betrachten ein kleines Spiel in Gang. Die Zwischenräume zwischen den Worten, die sonst beim Lesen (wie auch sonst im Leben die Zwischenräume) die Rhythmen bilden, Babak Saed verzichtet nicht nur darauf, als wären diese wichtigen Lücken verzichtbar, er entzieht seinen Bemerkungen diese gewohnte Taktung geradezu und verwirrt damit. Und er bereitet einem ein Vergnügen beim Entschlüsseln.
Am Pädagogium Godesberg + Otto-Kühne-Schule (Bonn) steht an zwei Wänden über das Eck geschrieben: ICHGLAENZEJENSEITSVONEINSBISSECHS. In der Evang. Kirche in Winningen/Mosel gab es 2008 eine dreitägige Ausstellung. In Verbindung mit einer Audioinstallation, in der in Abständen Blitz und Donnergrollen zu hören war, sah man hoch über dem Altar den Schriftzug SCHATZICHBINKURZDRAUSSEN. Und im Künstlerverein Malkasten in Düsseldorf war 2003 ebenfalls in Verbindung mit einer Audioinstallation die Bemerkung zu lesen: ICHSOLLTEMICHWIEDERVERLIEBEN. Dieses Textstück brach aber im vorletzten Buchstaben an einer Tür ab – der Satz wollte diese Tür!
Vielleicht selbstverständlich aber dennoch bemerkenswert: Babak Saed sagt: „Ich muss mich lange an einem Ort oder in einem Raum aufhalten um zu spüren, ob ich dort etwas zu sagen habe. Wenn ich dort nichts zu sagen habe, dann kann ich einen Auftrag nicht annehmen.“
(Robby Höschele)