Ben Willikens
70 Aquarelle
Publikation zur gleichnamigen Ausstellung im Städtischen Museum Heilbronn zum 70. Geburtstag des Künstlers
Hrsg. von Marc Gundel mit Texten von Beat Wyss, Walter Grasskamp und Marc Gundel
Städtische Museen Heilbronn/Swiridoff Verlag Künzelsau, 2009, ISBN 978-3-89929-163-6, 110 S., zahlreiche Farbabbildungen, Hardcover gebunden, Format 23,3 x 31 cm, € 24,80
Ben Willikens
Räume Transzendenz
Katalog zur gleichnamigen Ausstellung vom 30.04. – 12.07.2009 im Museum am Dom Würzburg
Hrsg. von Jürgen Lenssen mit Texten von Walter Grasskamp, Horst Schwebel und Jürgen Lenssen
Museum am Dom Würzburg/Swiridoff Verlag, Künzelsau, 2009, ISBN 978-3-89929-164-3, 167 S., zahlreiche s/w- und Farbabbildungen, Hardcover gebunden, Format 29 x 24,4 cm, € 34,80
Ben Willikens hat mit seinem heute im Besitz des Architekturmuseums Frankfurt befindlichen 300 x 600 cm großen Abendmahl aus den Jahren 1976 bis 1979 einen in seiner Vielfalt, Widersprüchlichkeit und Heftigkeit sonst selten erlebten Diskurs ausgelöst und Kunstgeschichte geschrieben. Grau ist die Farbe, die seine Bildwelt seit seinem langen Klinikaufenthalt im Jahr 1970 und auch sein Abendmahl bestimmt. Willikens Abendmahl wirkt im Vergleich zu Leonardo aseptisch. Das mag auch damit zusammenhängen, dass, wenn man Karin von Maur folgt, Willikens beim Aufbringen seiner Grau- und Weißtöne auf die Leinwand auf die Spritztechnik gesetzt und nahezu jede Berührung mit der Leinwand vermieden hat.
Für Jürgen Lenssen sind die Leere des Frankfurter Abendmahls und die später auch in Kirchen ausgeführten Willikens-Räume gleichwohl zu „Räumen der Transzendenz“ geworden, „einer Transzendenz, der es in aller Offenheit und Freiheit gegenüber zu treten gilt, weil sie ist, aber ohne um ihre Gestalt zu wissen … Seine Räume der Transzendenz sind nicht betretbar, sie spiegeln ‚nur’ eine Verheißung wider und stehen nicht in Konkurrenz zu dem heiligen Spiel vor ihnen, sondern deklarieren dieses als Vorspiel des Kommenden …“ (Jürgen Lenssen).
Das von Lenssen annähernd 30 Jahre nach Frankfurt in Auftrag gegebene Würzburger Willikens-Abendmahl variiert das frühere unter anderem durch den Lichteinfall nicht mehr von den rückwärtigen Fenstern und der Türe, sondern von der Decke und den Farbauftrag: Willikens wählt jetzt wie in seiner „Orte“-Serie über architektonische Kronzeugen nationalsozialistischen Herrschaft für den Farbauftrag den Pinsel.
Der zur Würzburger Ausstellung erschienene Katalog stellt das Abendmahl II von 2008 in den Kontext von Willikens später Werkentwicklung. Walter Grasskamp heischt Verständnis für den Wert grau; Horst Schwebel sieht das Frankfurter durch das Würzburger Abendmahl bestätigt.
Einen Aufbruch zu neuen Ufern versprechen Willikens erstmals im Kunstmuseum Heilbronn vorgestellten 70 Aquarelle über collagierten Fotografien auf Papier, die sich im Wesentlichen mit Innenräumen auseinandersetzen. Trotz der schon aus jüngeren Werkgruppen bekannten Farbe überrascht deren Heftigkeit in den Heilbronner Bildern, aber noch mehr die in den Bildräumen notierte Unordnung, die Abfälle und der Schmutz: Mir ist bis heute ein Besuch in der Willikens-Klasse in den 1980er Jahren in Braunschweig in lebhafter Erinnerung. Die Ateliers waren so aufgeräumt, dass man auf dem Boden hätte essen können. Kein Farbspritzer, kein Staub, kein Schmutz. Die Ateliers waren wie Willikens „klassische“ Bilder „klinisch“ rein. Wenn Willikens in seiner Serie der Aquarelle über collagierten Fotografien auf Papier Schmutz und Abfälle zulässt, erreicht er einen Grad an Freiheit, der bisher undenkbar schien. Deshalb kann man die Begeisterung von Marc Gundel sehr gut verstehen, der diese neuen Papierarbeiten entdeckt und erstmals vorgestellt hat. Willikens hat mit diesen Blättern künstlerisches Neuland betreten, sich innerhalb kurzer Zeit mit der Aquarelltechnik vertraut gemacht und sich, ohne seine eigene Tradition und sein ureigenes Thema zu verlassen, einen neuen ästhetischen und künstlerischen Kosmos erschlossen. „Willikens definiert die Gattung Aquarell auf individuelle Weise und kombiniert zwei Techniken miteinander. Von ihm selbst aufgenommene, aus der Perspektive des Malers gesehene Farbfotografien werden auf Bütten collagiert und in einem weiteren Arbeitsschritt mit großzügiger Geste aquarelliert … Der Zugriff auf die Realität bewirkt … eine Erweiterung der inhaltlichen Facetten … Dadurch wird das Nichtige bildwürdig, das Unbedeutende bedeutend. Das bringt zwangsläufig mit sich, dass sich nach und nach die Fokussierung auf einen zentralen Blickpunkt verliert … Der Meister der Zentralperspektive entwickelt sich so zum Meister der Sinnestäuschung … Seine Kunst … kehrt über das Atelier auf die Straße und damit an den Beginn des Entstehens von Kunst zurück, die mit Sehen und Beobachtung beginnt“ (Marc Gundel).
(ham)